Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
meines eigenen Kopfes befand.
Dann bewegte er sich. Glitt von seinem Stuhl und kniete neben mir nieder. Legte die Arme um mich, hielt mich fest, legte meinen Kopf auf seine Schulter und murmelte: »Sch.«
Er wusste, dass ich weinte, bevor ich selbst es spürte. Er rechnete damit, doch ich merkte es erst, als ich seine Schulter vollschluchzte und mit steifen Fingern das Hemd auf seinem Rücken knetete.
Nachdem ich mich ausgeweint hatte, zogen wir aufs Sofa um, wo ich zusammengerollt an ihm lehnte, in seine Arme gekuschelt.
»Hast du gewusst, dass du schwanger warst?«
»Nein. Ich hätte es eigentlich wissen sollen. Hätte ich es wissen sollen? Man würde meinen, dass ich so etwas merken würde.«
»Ich kenne mich da nicht aus.«
»Irgendwie bin ich froh, dass ich es nicht gewusst habe. Was, wenn ich es gewusst, mich an die Vorstellung gewöhnt hätte, vielleicht sogar aufgeregt gewesen wäre, und dann …« Ich schüttelte den Kopf. »Klingt das seltsam?«
»Ich weiß es nicht. Was würde denn normal klingen?«
»Das passiert andauernd, die Leute machen das die ganze Zeit durch. Warum ist es so … Was ist mit dir? Möchtest du Kinder?« Ich drehte mich, um ihn besser sehen zu können.
Nach langem Warten sagte er: »Nein.«
»Dann bist du also froh, dass es so ausgegangen ist.«
»Kitty, nein, so ist es nicht.« Er seufzte frustriert. »Vor einem Jahr wäre mir noch nicht einmal der Gedanke gekommen, dass es überhaupt möglich wäre. Dass ich mit jemandem zusammenleben könnte und das Thema überhaupt zur Sprache käme. Vielleicht hätte ich meine Meinung mit der Zeit geändert. Ich weiß es nicht.«
Ich auch nicht. In letzter Zeit stolperte ich des Öfteren über diesen Satz.
Ich kuschelte mich enger an ihn. »Es fühlt sich an, als habe mir jemand etwas weggenommen. Ich bin so wütend.«
Wir mussten stundenlang so geblieben sein. Ich war unendlich dankbar. Ich wusste selbst nicht, welche Reaktion ich von ihm erwartet hatte. Ich hätte ihm keine
Vorwürfe gemacht, wenn er schreiend davongelaufen wäre. Doch es war wichtig für mich, in seiner Nähe zu sein, und er blieb.
Ich war eingenickt - es musste auf Mitternacht zugehen -, als es an der Tür klingelte. Die verdammte Klingel.
»Wer zum Teufel kann das sein zu dieser Zeit?«, fragte Ben mürrisch.
»Vampire?«, murmelte ich.
Er bedachte mich grinsend mit einem »Das ist ja wohl nicht dein Ernst«-Blick. Keiner von uns beiden rührte sich. Man konnte nicht von uns erwarten, dass wir um Mitternacht an die Tür gingen.
Doch die Klingel ertönte erneut, diesmal länger, als lehnte unser Besuch auf dem Klingelknopf.
Ben stöhnte. »Es ist ein Notfall. Muss sein.«
»Das Licht ist an. Wir können nicht so tun, als würden wir schlafen.«
Theatralisch befreite er sich aus meiner Umarmung und stand auf. »Bleib hier, ich gehe nachsehen.«
Ich erhob keine Einwände.
Nach einer Minute etwa hörte ich von der Eingangstür: »Kitty? Es ist für dich.«
Ich hatte keine Ahnung, wer es sein könnte. Außer Ben kannte ich niemanden in Pueblo.
Ich schleppte mich zum Eingang. Ben hielt den Griff der offenen Tür umklammert und sah zu mir zurück. Und da, jenseits der Schwelle, stand Rick. Der Vampir.
Ich musste unbedingt aufhören, diese gedankenlos dahingeworfenen Bemerkungen zu machen.
»O mein Gott! Rick!«
»Hi Kitty!« Er war durchschnittlich groß und besaß blasse, leicht aristokratische Gesichtszüge, wie eine Gestalt aus einem alten Gemälde. Das mochte auch an der Art liegen, wie er sich hielt - gerader Rücken, voller Selbstbeherrschung. Nichts würde ihn je dazu veranlassen, einen Wutanfall zu bekommen. Seine dunklen Haare waren aus dem Gesicht gekämmt und reichten gerade auf die Schultern hinab. Er trug eine schwarze Hose, ein sorgfältig gebügeltes Hemd, elegante Schuhe - und einen Mantel, obwohl Sommer war.
Rick war ein komischer Vogel. Er gehörte zu Arturo, dem Vampirgebieter von Denver, doch gleichzeitig bewahrte er sich einen gewissen Grad an Unabhängigkeit. Ich war mir nicht sicher, was er für Arturo tat oder was ihm die Verbindung einbrachte. In Vampirinnenpolitik war ich keine Expertin. Allerdings wusste ich, dass er mindestens zweihundert Jahre alt war und sich einen Großteil dieser Zeit in der Gegend befunden hatte. Er konnte ein paar großartige Geschichten aus dem Alten Westen erzählen. Früher hatten wir uns gegenseitig einen Gefallen erwiesen und nützliche Informationen ausgetauscht. Keiner von uns beiden war
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