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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Malcolm würde sie nicht töten. Dazu liebte er sie viel zu sehr. Das hatte sie gerade gesehen – er teilte sogar das Strafexil mit ihr. Aber wenn doch? Was, wenn seine Ankündigungen ihn banden, wenn er sein Wort halten musste, weil er es vor Zeugen gegeben hatte?
    Hilflos rieb sie sich den Kopf, um besser denken zu können. Nein, es gab kein Zurück – was auch immer in der Kathedrale zu Dunfermline gerade geschah und wie friedlich sie auch beieinanderknien mochten, es konnte ja nicht von Dauer sein. Margaret hatte ihren Schwur getan: Sie würde Malcolm erst beiwohnen, wenn sein Geschenk gereinigt war. Und sie würde diesen Schwur halten, Christina kannte die Schwester gut genug. Das verfluchte Buch musste nach Jarrow gelangen. Deswegen war sie aufgebrochen. Es gab kein Zurück, und es gab kein Zögern mehr.
    Eine der Frauen hatte Kleider neben ihr Lager gelegt. Einfaches Leinenzeug, rau und ärmlich, was Pilger eben so mit sich führten, wenn sie nicht einmal Geld für die Überfahrt hatten. Christina zog die Sachen näher und kleidete sich unter der Decke an. Sie wusste noch nicht genau, was sie tun würde, aber durch das Bild war das ganze Drama von Dunfermline zu ihr zurückgekehrt, und sie verspürte immer größere Unruhe.
    Als sie die Kleider übergestreift hatte – eine zu große Bruch, einen groben Kittel, der ihr bis zu den Knien reichte und sicher einem Mann gehört hatte, und ein fellbesetztes Kleid, welches noch nach frischgegerbter Tierhaut roch –, fühlte sie sich besser – gut gerüstet für die Reise. Auch wenn es Kleider waren, die sie unter normalen Umständen niemals angerührt hätte. Das spielte nun keine Rolle. Angestrengt starrte sie in den Nachthimmel. Wollte es denn gar nicht Tag werden? Feine Schneeflöckchen tanzten auf sie herab, drückten sie mit sanften Händen auf ihr Lager zurück – ruh dich noch aus, nutze die Stunden, ruh dich aus . Die Erschöpfung kam kassieren und drückte ihr sanft die Lider herunter. Christina dämmerte unter ihren Decken dahin …
    »Nun macht schon, wozu habe ich Euch mitgenommen – rudert, rudert endlich an Land! Da liegt ein Boot, seht Ihr das denn nicht?«
    Christina fuhr hoch. War sie doch eingeschlafen? Die Pilgerinnen hinter ihr waren schon wach und tuschelten leise. Mit lautem Scharren wurde ein Boot ans Ufer gezogen, ein Mann sprang in den Schlamm, dann hörte sie, wie eine Klinge aus einer Metallscheide gezogen wurde. Schwere Schritte stapften über den Ufersand.
    »Ich weiß, dass Ihr hier seid, hlæfdige Christina!«, rief der Ankömmling. Sie duckte sich in ihren Decken. Warum lag sie nur so exponiert am Feuer statt irgendwo in den Schatten einer Zeltplane? »Zeigt Euch, ich weiß, dass Ihr hier seid. Wir zwei spielen ein Versteckspiel, und nun hab ich Euch gefunden, und jetzt ist es auch gut. Der Junge hat mir alles gesagt, und hier liegt das Boot des Fährmanns! Seid nicht so töricht, kommt heraus – ich will großzügig mit Euch sein!«
    »Vielleicht ist sie gar nicht hier«, raunte der andere Mann, »vielleicht haben wir uns geirrt und die Dame ist wohlbehalten in Dunfermline, hlæfweard …« Ruaidrí. Sie erkannte die Stimme sofort. Ruaidrí hatte das Boot gerudert – aber welchen Gast?
    Der Fährgast hob seine Laterne in die Höhe. Ihrem neugierigen Licht entkam man nicht – kein Pilgerzelt, kein Feuer, kein Bewohner. Er stieß provozierend die Waffe in den Sand. »Ich finde Euch, Christina. Ihr seid selbst Schuld daran, törichtes Weib, was dann mit Euch geschehen wird.« Die Laterne protzte mit ihrem breitschultrigen Träger: Máelsnechtai. Der Mórmaer aus dem Norden, dem sie an der Kathedrale irgendwie entkommen war. Nicht weit genug offenbar, denn er hatte sie gefunden.
    Und dann fegte seine Klinge das Dach des ersten Zeltes hinweg. Stöcke brachen, Frauen schrien, ein Hund sprang wild kläffend umher, bis der furchtbare Tritt des Mannes ihn verstummen ließ. Leinwände fingen Feuer, weil eine Fackel umgestürzt war. Ein alter Mann kroch aus den Flammen in den Sand, seine Kleider brannten, jemand warf eine Decke über ihn. Die Klinge wütete weiter, nahm sich das nächste Zelt vor, hackte es im Laternenlicht entzwei, gespenstisch stumm, während alles um sie herum vor Angst schrie und weinte … Christina war auf allen vieren aus ihrem Deckenlager herausgerobbt – wohin? Und wo war Nial?
    »Er ist wegen Euch hier, nicht wahr? Ihr seid die Dame, die er sucht, nicht wahr? Soll ich Euch fortbringen, hlæfdige ? Ich würde

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