Die Stunde der toten Augen
komme, dachte er, dann kriege ich den Brand in die Wunde. Das ist das Ende. Er zog die Beine näher an den Körper und lagerte sich etwas bequemer. Er hatte noch die Maschinenpistole, und er konnte sie zur Not mit der einen Hand bedienen. Er legte sie in die Astgabel vor sich und dachte daran, wie die Panzer auf dem Holzplatz ankamen.
Es war mit der Sprengung nicht so schnell gegangen, wie es vorgesehen war. Zuerst hatten sie den Mann suchen müssen, der an der Zündung saß. Sie fanden ihn mit heruntergelassenen Hosen hinter einem Baumstumpf und trieben ihn zu seinem Zündmechanismus. Aber irgendeiner von den anderen hatte eins der Kabel beschädigt, und die Zündung funktionierte nicht. Der Mann band sich die Hosen fest und lief auf den Holzplatz hinaus, während die anderen sich im Wald verkrochen und Timm den Befehl erteilte, daß sich jeder selbst in Sicherheit bringen und die Front zu Fuß überqueren solle. Dann hockte er sich selbst an die Zündanlage und drehte ohne Erfolg ein paarmal an dem Griff, während der Soldat auf dem Platz noch immer die Unterbrechung im Kabel suchte. Er fand sie in dem Augenblick, als Zado über die Lichtung gerannt kam. Er kam aus dem Waldweg, von dort, wo sie die Fahrer aus den Wagen gezerrt hatten, und Timm rief ihn an. Auf der Straße waren die Geräusche der Panzer zu hören.
Zado ließ sich neben Timm fallen, und Timm sagte hastig: „Los, fort! Sieh zu, wie du durchkommst!" Aber in diesem Augenblick preßte der Soldat auf dem Holzplatz die beiden Enden des zerrissenen Drahtes aneinander, um sie wieder zu verbinden. Er wußte nicht, daß der Hebel an der Zündanlage eingeschaltet war. Die Explosion warf ihn in die Luft und zerriß ihn, bevor er einige Meter über dem Erdboden war. Sie schleuderte Timm mit dem Kopf gegen einen Baumstamm und warf Zado halb betäubt ins Unterholz. Als die beiden wieder zu sich kamen, erschien der erste Panzer auf dem Holzplatz und schoß eine Salve aus seinem Maschinengewehr in den gegenüberliegenden Waldrand. Timm preßte die Hand gegen die Schulter, als er getroffen wurde, und stolperte im Schatten der Bäume weiter. Immer hinter Zado her und immer an der Außenseite der Lichtung, auf der sich der Holzplatz befand, bis er im Rücken der Panzer war, an der Straße, ein paar hundert Meter jenseits der Abzweigung des Waldweges. Er sah die festgefahrenen Spuren auf der Straße und sah weit vor sich Zados Schatten verschwinden. Hinter ihm waren das Feuer und das Geknatter aus den Waffen der von den Panzern abgesessenen Soldaten, die den Wald durchkämmten. Er hörte das Sägen der Maschinenpistolen und das leise Zirpen, wenn die Geschosse in seiner Richtung flogen. Dazwischen die Detonationen der Handgranaten und die Kommandorufe, die Trillerpfeifen der Zugführer. Dann hörte er den Abschuß einer Panzerkanone und sah, daß die Straße vor ihm frei war. Er dachte: So weit du kannst, auf dieser Straße, und dann seitwärts verschwinden. Das ist die Chance! Und er lief.
Er merkte bald, wie das Feuer hinter ihm immer leiser wurde, aber er spürte auch, wie der Schmerz in dem zersplitterten Knochen zunahm. Als er eine Zeitlang gelaufen war, verfiel er in einen langsameren Schritt, und von nun an brachte er es nicht mehr fertig zu laufen. Wenn er einen schnellen Schritt machte, biß er sich auf die Lippen. Er sah Zado nicht mehr vor sich. Aber Zado sah ihn.
Zado hockte in einem Fichtengestrüpp und beobachtete, wie Timm mit weichen, nicht mehr sicheren Schritten auf ihn zukam. Als er an ihm vorüberging, rief er ihn an. Sie krochen hintereinander weiter in das Gestrüpp hinein und waren bald außer Hörweite der Straße. Sie kamen nur langsam vorwärts, aber sie krochen keuchend weiter, bis sie keinen Laut mehr vernehmen konnten, weder die Schüsse am Holzplatz noch ein Fahrzeug, das auf der Straße vorbeifuhr.
Da sagte Zado: „Ich glaube, wir haben sie abgehängt."
Timm ließ sich schwer atmend, mit dem Rücken an eine Fichte gelehnt, nieder. „War Zeit", quetschte er heraus. „Es hat genau noch bis hierher gereicht."
Zado griff nach der Kognakflasche in der Knietasche. Er trank und reichte Timm die Flasche. Dabei beugte er sich ein wenig zu ihm herüber und sah, daß der Unteroffizier verwundet war.
Als er ihn verbunden hatte, nahm er einen weiteren Schluck und sagte: „Wenn ich das gewußt hätte, dann hätte ich dich vorbeilaufen lassen. Es kommt nichts dabei heraus, wenn man mit einem halben Krüppel zusammen zu türmen
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