Die Stunde des Jägers - EXOCET
während Villiers sich auf den Platz neben ihm setzte und die Tür verriegelte. Die Motoren spuckten und husteten, um dann gleichmäßig und beruhigend, alles andere übertönend, zu dröhnen. »Was meinen Sie?« schrie Villiers.
Montera machte sich nicht die Mühe zu antworten. Seine Lippen waren zu einem merkwürdig starren Lächeln verzogen. Er rollte in den Wind und gab Vollgas. Die Chieftain bebte und hüpfte an, parallel zum Meer, so daß sie den längsten freien Sandstreifen vor sich hatte, der noch da war.
Sie sausten durch einen Priel, noch einen und einen dritten und schickten jedesmal Wasserwirbel hoch. Montera drückte mit aller Kraft auf den Leitwerkhebel, um die Maschine gerade zu halten. Dann hob sie endlich ab, eine Tragfläche schnitt durch einen Gischtkamm, und einen Augenblick später streiften nur noch die Räder die Schaumkronen.
Plötzlich flogen sie sehr schnell, und das Motorengeräusch wurde zu einem tiefen Brummen. Erst jetzt zog Montera den Knüppel ganz zurück.
Als Gabrielle einige Stunden im Haus gewartet hatte, hielt sie es nicht länger aus und fuhr mit Wanda nach Lancy zum Flugplatz. Es regnete immer noch in Strömen, und sie liefen über
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das Vorfeld und stellten sich in einem Hangar unter.
Gabrielle sagte: »Was werden Sie tun, wenn das hier zu Ende ist?«
Wanda zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ralph hat mich praktisch von der Straße aufgelesen. Es war wie ein Traum. Von der Gosse ins Luxusleben, genauso. Ich nehme an, ich werde langsam aufwachen müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Er war ein Hund, wissen Sie das? Ich hatte die ganze Zeit schreckliche Angst vor ihm.«
»Warum sind Sie dann bei ihm geblieben?«
»Weil ich noch mehr Angst davor hatte, wieder in die Gosse zurückzukehren.«
»Und jetzt?«
Wanda antwortete: »Oh, ich weiß nicht. Plötzlich sieht es aus, als könnte es ganz lustig sein.«
»Ich habe nachgedacht«, sagte Gabrielle. »Ich habe eine Menge gute Freunde in der Illustriertenbranche, und ich habe so das Gefühl, Sie würden sich vor der Kamera sehr gut machen. Vielleicht könnten wir etwas arrangieren.«
»Sie meinen, so was wie Wanda Jones als Vogue-Mate des Monats?« Wanda lachte. »Das wäre wirklich nicht übel.«
In der Ferne ertönte Motorengeräusch, und die Chieftain flog aus westlicher Richtung niedrig an, drehte dann zum Landen in den Wind.
Wanda sage: »Ich mußte gerade an etwas denken. Wenn sie es nun nicht sind? Wenn es Ralph ist?«
Gabrielle wandte sich zu ihr und sah sie erstaunt an. »Glauben Sie wirklich, ein Mann wie Bobst könnte es mit Tony Villiers aufnehmen?« Sie lachte auf. »Mein Gott, Wanda, Sie müssen sich noch ein bißchen Menschenkenntnis zulegen.« Dann drehte sie sich um und lief dem ausrollenden Flugzeug entgegen.
Die Chieftain hielt, aber Montera stellte den Motor nicht ab,
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sondern starrte durch die Windschutzscheibe geradeaus. »Könnten Sie schnell machen?« sagte er. »Ich möchte hier weg.«
»Sie bleiben nicht?«
»Wofür?«
»Ich würde sagen, für das da, genau neben der linken Tragfläche.«
Montera schob das Seitenfenster zurück und blickte zu ihr hinunter. Gabrielle lachte, grenzenlos erleichtert, glücklich. Sie winkte aufgeregt.
Er wandte sich zu Villiers. »Tony, bitte.«
Zum erstenmal hatte er ihn mit seinem Vornamen angeredet, und seine Stimme hatte einen gequälten Unterton. »Schon gut, aber ich fliege mit«, sagte Villiers. »Wohin soll’s gehen?«
»Nach Brie-Comte-Robert, wo wir hergekommen sind.«
»Und dann?«
»Heute abend geht eine Air-France-Maschine nach Buenos Aires. Ich habe vor, darin zu sitzen.«
Er wendete die Chieftain, gab Gas und rollte an, und nun lächelte Gabrielle nicht mehr, sondern öffnete den Mund zu einem Schrei, der vom Röhren der Motoren erstickt wurde, und dann war sie schon weit hinter ihnen…
In der Eingangshalle des Flughafens Charles de Gaulle war nicht besonders viel los, als Tony Villiers am Bücherkiosk vor der Halle für internationale Abflüge wartete. Montera stand am Schalter der Air France und gab seine Segeltuchtasche auf. Er drehte sich um und hielt inne, um eine Zigarette anzustecken; trotz der alten schwarzen Fliegerjacke und der Jeans wirkte er merkwürdig elegant.
»Großer Gott«, sagte Villiers vor sich hin. »Ich mag den Burschen tatsächlich.«
»Alles in Ordnung?« fragte er, als Montera sich
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