Die Stunde des Spielers
Midnight Hour ?«
»Ich habe ein Geheimnis. Habe mich gefragt, ob es dich vielleicht interessiert.« Seine klare Männerstimme passte zu dem schönen Körper. Er hätte der Sänger einer Boyband sein können.
»Darauf möchte ich wetten. Du klingst wie jemand, der mir gleich ein Angebot machen wird.«
Er zog etwas aus seiner Gesäßtasche und hielt es empor - zwei Eintrittskarten. »Die sind für dich, falls du sie
haben möchtest.«
»Sitze in der ersten Reihe bei einem Konzert von Wayne Newton?«
»Nein, nicht ganz.« Sein Lächeln wurde noch intensiver. Es war schmollend und verführerisch.
Ich trat an den Bühnenrand, um seine Gabe entgegenzunehmen, was die Sicherheitsleute zusammenzucken ließ - die immer noch hinter mir lauerten, bereit, sich auf den Leoparden zu stürzen. Ach, was soll’s! Weder Leopard noch Mann wirkten offen aggressiv. Es war reines Imponiergehabe. Das konnte ich auch.
Als ich dem Mann so nahe kam, traf mich sein Geruch wie ein starkes Aftershave. Seine Lykanthropie war mächtig, als befände sich sein Tier dicht an der Oberfläche, mehr Fell als Haut. Ich tippte darauf, dass er viel Zeit in Tiergestalt verbrachte. Der Leopard war mir jetzt nahe genug, um mir einen Hieb zu versetzen, doch ich blieb gelassen. Atmete weiterhin regelmäßig. Gab mir große Mühe, so zu tun, als mache er mich nicht nervös.
Es überraschte mich nicht, als ich einen Blick auf die Eintrittskarten warf und den Namen der Show darauf abgedruckt sah.
Mit einem Grinsen verkündete ich meinem Publikum, sowohl vor den Fernsehern als auch live im Theater: »Zwei Eintrittskarten für Balthasar, König der Bestien, im Hanging Gardens. Du möchtest wohl, dass ich mich ganz zu Hause fühle, was?«
»Oh, in der Show gibt es keine Werwölfe.«
»Aber es gibt... etwas anderes?«
Er zwinkerte. »Es ist ein Geheimnis.«
»Ich verstehe«, sagte ich, flirtete mit ihm, mit dem Publikum, den Kameras. »Es ist ein Werbegag. Du bist mit Eintrittskarten für die heißeste Tiershow von ganz Vegas hier und gibst dich ganz mysteriös und redest von einem
Geheimnis, also werde ich sie mir natürlich ansehen wollen. Und in der Zwischenzeit kannst du umsonst Reklame machen.«
Beinahe hätte ich etwas gesagt. Beinahe hätte ich auf sie gedeutet und Lykanthrop! geschrien. Doch ich wollte niemanden outen, der seine lykanthropische Identität geheim halten wollte. Bis dieser Typ es selbst verkündete, würde ich sie nicht auffliegen lassen. Soviel das Publikum wusste, war dies ein Mann mit seinem äußerst gut dressierten Leoparden.
»Du solltest es dir wirklich selbst anschauen.«
Ich wünschte mir immer mehr, ich hätte es geschafft, Balthasar zu einem Interview in die Sendung zu holen. »Ich sehe mir also die Show an. Und dann?«
»Dann unterhalten wir uns.« Er zwinkerte mir erneut zu, drehte sich um und ging, stolzierte den Gang empor wie, tja, ein König der Bestien. Der Leopard sprang von der Bühne und spazierte ihm hinterher. Die meisten Anwesenden nahmen bestimmt an, dass es sich lediglich um eine dressierte Raubkatze handelte. Doch war denn niemandem aufgefallen, dass zwischen ihnen kein einziges Wort oder ein Handzeichen gefallen war?
Wahrscheinlich starrte ich ihm unnötig lange hinterher. Kopfschüttelnd richtete ich meine Aufmerksamkeit auf meine eigentliche Aufgabe.
»Tja, als legte der andere einfach auf, bloß von Angesicht zu Angesicht. Die Geschichte meines Lebens.« Ein paar Leute im Publikum stießen traurige, mitfühlende Geräusche aus.
Laut Teleprompter blieben mir fünf Minuten. Nach einem Moment der Panik, in dem ich mich fragte, wie ich das Ganze nach dieser aufregenden Episode zu einem Abschluss bringen sollte, kehrte ich zu meinem Stuhl zurück und machte mich an die Arbeit.
»Sieht aus, als sei für diesen Abend die Zeit vorbei. Vielen, vielen Dank, dass ihr mir bei diesem tollen Experiment Gesellschaft geleistet habt!« Und alle jubelten. Sieg.
Ich bedankte mich bei allen, stellte meine Leute vor und gönnte der Crew und den Stagemanagern ihren Augenblick im Scheinwerferlicht. Zum Schluss stieg ich von der Bühne, vorne in die Mitte, und ließ den Applaus auf mich niederprasseln. Nach so etwas könnte man durchaus süchtig werden. Live-Fernsehen. Ich hatte es getan und überlebt, und es fühlte sich gut an. Dies war der Rausch, der die ganze Nervosität lohnenswert machte.
Sobald die Kameras nicht mehr liefen, verteilte ich die restlichen T-Shirts und saß eine halbe Stunde am Bühnenrand,
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