Die Stunde des Tors
seinen Zauberbann.
»Dann klettert an Bord, Bürger«, sagte der Fahrer zuvorkommend, als Clodsahamp es geschafft hatte. Das taten sie und legten Taleas Körper vorsichtig zwischen sich auf die Ladefläche.
Sie hatten zwei Drittel des Weges zum Paß zurückgelegt, das Getriebe Cugluchs weit hinter sich gelassen, als Jon-Tom, durch viele kleine Anzeichen argwöhnisch geworden, den Fahrer vorsichtig fragte: »Du bist nicht hypnotisiert, nicht wahr? Du hast nie unter dem Zauber gestanden.«
Während Hände nach Waffengriffen tasteten, sah der Arbeiter mit rätselhaften Facettenaugen auf ihn hinunter. »Nein, Bürger. Ich bin nicht verzaubert, wenn es das ist, was du meinst. Haltet eure Hände zurück.« Er deutete auf den Fahrdamm, auf dem sie reisten. »Es hätte nur nachteilige Folgen für euch, denn ihr seid von Angehörigen meines Volkes umgeben.« Schwerter und Messer blieben widerwillig in ihren Scheiden.
»Wohin bringst du uns also?« fragte Flor nervös. »Warum hast du nicht längst Alarm geschlagen?«
»Was das erste angeht, Fremder, so bringe ich euch dahin, wo ihr wünscht, zum Kopf des Troom-Passes. Ich kann verstehen, warum ihr dorthin möchtet, obwohl ich nicht glaube, daß ihr eure Reise lebend beenden werdet. Doch vielleicht habt ihr auch Glück und schafft es bis in eure eigenen Lande.«
»Dann weißt du, wer wir sind?« fragte Jon-Tom verblüfft.
Der Fahrer nickte. »Ich weiß, daß unter diesem Chitin Körper mit weicher, glatter Oberfläche und anderer Farbe stecken.«
»Aber woher?«
Der Fahrer zeigte zum hinteren Teil des Wagens. Mudge schien sich in seiner Verkleidung nicht wohl zu fühlen. »Ach nun, was zur 'ölle sollte ich tun? Ich dachte, sein Verstand sei nur noch Mus, und ich mußte pinkeln, 'abe gar nicht gedacht, daß er es über'aupt sieht, der 'artschalige Perversling!«
»Es ist unwichtig«, sagte der Fahrer.
»Hör mal, wenn du nicht verzaubert bist und wenn du weißt, wer und was wir sind, warum bringst du uns schweigend dahin, wohin wir wollen, anstatt uns den Behörden zu übergeben?« wollte Jon-Tom wissen.
»Ich habe es euch gerade gesagt: Es ist unwichtig.« Der Fahrer machte mit zwei Armen eine Geste, die große Gleichgültigkeit anzeigte. »Wir werden sowieso bald alle sterben.«
»Wenn ich dich recht verstehe, begrüßt du den bevorstehenden Krieg nicht.«
»Nein, das tue ich nicht.« Seine zitternden Antennen zeigten seine Aufgewühltheit an. »Diese jahrtausendealte Vergeudung von Leben und Schicksalen in der Hoffnung auf Eroberungen ist so närrisch, so dumm!«
»Ich muß sagen, du bist der sonderbarste Gepanzerte, dem ich je begegnet bin«, erklärte Clodsahamp.
»Meine Anschauungen sind unter meinem Volk nicht weit verbreitet«, gab der Fahrer zu. »Aber vielleicht werden sich die Dinge mit der Zeit und durch vernünftiges Denken ändern.«
»Nicht, wenn eure Armeen den Sieg davontragen«, sagte Bribbens kühl. »Wärst du über den Erfolg eurer Soldaten nicht genauso glücklich wie alle anderen?«
»Nein, das wäre ich nicht«, erwiderte der Fahrer bestimmt.
»Tod und Töten tragen niemals zum Aufbau bei, auch wenn es anders erscheinen mag.«
»Eine höchst einsichtsvolle Betrachtungsweise, mein Herr«, sagte Clodsahamp. »Sehen Sie, warum kommen Sie nicht mit uns in die Warmlande?«
»Wäre ich dort willkommen?« fragte das Insekt. »Würden die anderen Warmlander auf dieselbe Weise wie ihr verstehen und mitfühlen? Würden sie mich als Freund begrüßen?«
»Sie würden dich wahrscheinlich«, sagte Caz ernst, »in kleine Chitinstücke zerschneiden.«
»Siehst du? Ich bin verdammt, wie ich mich auch entscheiden mag. Wenn ich mit euch ginge, würde ich körperlich leiden. Wenn ich bleibe, ist es mein Geist, der dauernde Qualen erduldet.«
»Ich kann deine Gefühle gegen den Krieg verstehen«, sagte Flor, »aber das erklärt noch nicht, warum du deinen Hals riskierst, um uns zu helfen.«
Der Fahrer produzierte so etwas wie ein Schulterzucken. »Ich helfe denen, die der Hilfe bedürfen. Das ist meine Natur. Jetzt helfe ich euch. Bald, wenn der Kampf beginnt, wird es viele geben, denen geholfen werden muß. Unter den Notleidenden kann man keine Partei ergreifen. Ich wünsche nur, daß solchen Idioten Einhalt geboten werden könnte. Es scheint allerdings, daß man nur hilflos ihr Ende erwarten kann.«
Der Fahrer, ein gewöhnlicher Bürger der Grünauen, steckte voller Überraschungen. Clodsahamp war überzeugt gewesen, daß es innerhalb des Volkes
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