Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
zitterten. Herr Kinsky bot ihm Kuchen und Müsliriegel an, aber das Tier machte keine Anstalten, zu fressen.
„Der Drache ist erschöpft, er wird vorerst nicht mehr fliegen. Wirklich schade, Phil, aber eine weitere Drachenpfeife hat mir Herr Junker nicht zur Verfügung gestellt. Dennoch bin ich überzeugt, dass das Fliegen für Sie kein Problem darstellen dürfte."
Nach einigen letzten Hinweisen für die bevorstehenden Prüfungen beendete Herr Kinsky den Unterricht. Er hatte sich kaum verabschiedet, da waren die Schüler bis auf die Mädchen, die den Drachen knuddelten, außer Sichtweite. Phil erkundigte sich bei ihm nach der gelbbäuchigen Schlange. Die hatte Herr Kinsky noch am selben Tag dem Doktor gebracht, der manchmal Salben aus Schlangengift herstellte, erfuhr er.
Bevor Phil die Schule verließ, suchte er die Krankenstation im Erdgeschoss auf. Auf sein Klopfen reagierte niemand.
„Was machen Sie noch hier?", ertönte plötzlich die Stimme von Frau Schwan.
„Ich wollte zum Doktor. Ähm, ich wollte mir was gegen Bauchschmerzen holen."
„Bauchschmerzen? Der Doktor ist schon zu Hause. Morgen können Sie ihn in der Arena aufsuchen. Notfalls kann er Sie auch kurzfristig von der Prüfung befreien, falls Sie sich nicht in der Lage fühlen, daran teilzunehmen."
Darauf können Sie lange warten, dachte Phil. Trotzig erwiderte er ihren Blick und versicherte, dass es nichts Ernstes sei. Danach ließ er sie einfach stehen.
Da Leo nach einer gründlichen Dusche zuerst Melanie nach Hause bringen und dann das Strickkleid bei Frau Struwwel abliefern wollte, trat Phil den Heimweg allein an – auf dem schwarzen Hengst.
Frida hatte die Terrasse geschmückt. In schlanken Bodenvasen leuchteten Blüten in allen Farben, dazwischen standen ungefähr hundert Kerzen und Laternen. „Sieh nur, wie wunderbar sich deine Mutter erholt hat", sagte sie stolz. Phils Mutter sah wirklich gut aus, nur ihre Augen wirkten traurig und abwesend.
„Hallo, Mams." Phil drückte ihre Hand. Das Lächeln, mit dem sie ihn darauf bedachte, wirkte gequält. Vergebens wartete Phil darauf, dass sie ihn in ihre Arme schloss oder auf andere Weise zu verstehen gab, dass sie sich an ihn erinnerte. Er vermisste die Wärme in ihren Augen und die kleinen Lachfältchen, die er so an ihr mochte. Fragend blickte er Frida an, doch sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
Frida lockte Phil in den Garten und lenkte ihn mit vielen Fragen über die letzte Schulwoche ab. Als Phil von der Giftschlange im Unterricht berichtete, war sie außer sich. „Wie können sie euch solchen Gefahren aussetzen?!" Um sie nicht noch mehr aufzuregen, verschwieg ihr Phil den nächtlichen Besuch der Schlange.
Pünktlich zum Tee kam Leo. Strahlend wedelte er mit einem kleinen Stapel beschriebener Zettel: „Meine neuen Aufträge."
„Das schaffst du niemals bis morgen", stellte Phil fest.
„Dann muss ich mir eben was einfallen lassen." Nach einer gründlichen Inspektion der Wollvorräte – Frida hatte in einer bis dahin ungenutzten Kammer ein kleines Lager eingerichtet – baute Leo neben seinem Stuhl eine Pyramide aus dunkelgrünen Knäueln und begann zu stricken.
Es war schon spät, als sie auf der Terrasse beim Lichtschein der Kerzen den Ablauf des morgigen Tages planten. Frida hatte dieses Gespräch immer wieder hinausgezögert. Mit seltsam hohl klingender Stimme bot sie an, den Digitalisierer in die Arena mitzunehmen, damit sie nach der Rückkehr aus dem Schloss keine Zeit verloren. Jedoch befürchtete sie, dass Phils Mutter der Trubel zu viel werden könnte. Für den Notfall wollte sie Beruhigungstropfen einstecken. Leo fand die Idee mit den Beruhigungstropfen gut. „Obwohl ... eigentlich muss ich mich in den beiden letzten Prüfungen ja nicht überanstrengen. Wichtig ist nur, dass du deinen Vater findest", sagte er zu Phil, nebenbei nähte er die gestrickten Einzelteile zu einem Pullover zusammen.
Phil warnte: „Wenn du zu lange trödelst, müssen wir dich hierlassen und später abholen."
Leos Mundwinkel wanderten in Richtung seiner Ohren. „Das wäre nicht so schlimm, da könnte ich in aller Ruhe meine Liste abarbeiten." Er schielte zu Frida. „Es sei denn, Frida möchte mich gern loswerden."
„Ach, im Gegenteil, Leo. Ich gebe dich nur ungern her." Frida griff nach einer Serviette. „Ihr werdet mir beide fehlen." Bereitwillig ließ sich Leo von ihr die Locken zerzausen.
Das hatte auch Anna Marten früher mit Vorliebe bei ihrem Sohn gemacht, wobei Phil
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