Die Suche nach dem Wind
seiner Kindheit drängten sich ihm auf: Wer sich hängen lässt, hat bereits verloren. Reiß dich gefälligst zusammen! Jammern oder mit dem Schicksal hadern ziemt sich nicht für einen van Rhyn. Er setzte sich abrupt auf und wünschte sofort, er hätte es nicht getan. Kopf und Schulter schmerzten höllisch.
»Ich lege zumindest einen neuen Verband an«, erklärte Erma, aber er zog sein Hemd hoch. »Jetzt nicht! Wo sind wir eigentlich?«
»Also, wenn du mich fragst, sind wir bei Eriks Vater gelandet. Die Leute, die uns hergebracht haben, waren zwar misstrauisch jedoch nicht feindselig. Scheint so etwas wie ein unterirdisches Labyrinth zu sein. Hast du Hunger oder Durst? Hier gibt es ‘ne Menge anzubieten.« Lennart wies auf einen Tisch mit unterschiedlichen Krügen und Speisen.
»Danke, ich will nichts. Wenn das von Gandars Räume sind, warum haben wir dann diese Armreifen? Ich hatte geglaubt, wir stünden auf einer Seite.«
»Vielleicht eine Sicherheitsmaßnahme, bis dieser Geächtete persönlich kommt«, überlegte die Assistentin laut. »Was macht Ihr Kopf?«
»Geht schon! Wisst ihr etwas über die Jugendlichen?«
Beide schüttelten traurig den Kopf.
»Verdammt!«, fluchte Aeneas mit tiefer Inbrunst.
In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und ein Mann betrat den Raum und ging auf die unfreiwilligen Gäste zu. Er war groß, schlank und um die fünfzig. Seine kurzen, blonden Haare wiesen erstes Grau auf. Der prüfende Blick aus braunen Augen glitt von der Assistentin, zu Lennart und blieb dann am Ringlord hängen. »Bei allen Schutzheiligen, das ...«
Der hatte sich bereits erhoben und unterbrach den Hausherrn: »Duncan von Gandar, nehme ich an. Ihr Sohn sieht Ihnen sehr ähnlich. Darf ich vorstellen? Meine Assistentin, Frau Erma Kossolowy, mein Adjutant, Lennart Tamiris, und ich bin Aeneas van Rhyn, Ringlord auf der Erde. Wir sind oder waren auf der Suche nach meinem Mündel Erik, ihrem Sohn, und seinen Freunden.«
Von Gandar musste sich am Tisch abstützen und starrte ihn minutenlang fassungslos an.
»Mein Sohn ist hier?« stieß er endlich aus. »Das gibt es nicht. Das darf nicht sein. Meine Späher berichteten von einer Gruppe Jugendlicher, aber dann war sie, wie vom Erdboden verschluckt. Nie hätte ich gedacht, nie habe ich geglaubt ... Was hat er nur getan?« Er brach ab und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Verschluckt? Guter Gott, Aeneas!«, keuchte Lennart stattdessen entsetzt. »Glaubst du, dieser Karon könnte sie geschnappt haben?«
»Ich weiß es doch auch nicht.« Die Stimme des Ringlords klang müde. Wie zur Unterstreichung dieses Eindrucks rieb er sich die Augen. »Ich weiß nur, dass uns fünf Tage bleiben, um sie zu finden und den Planeten zu verlassen. Danach wird Rantaris gesprengt werden. Gleichgültig, wer oder was sich noch darauf befindet!«
Lennart sackte auf die Bank, als könnten ihn seine Beine nicht mehr tragen. »Waaaas?«
»Und das sagen Sie uns erst jetzt?«, keuchte Erma.
»Bevor der Berg gesprengt wurde, war es nicht von Belang«, erklärte Aeneas sein Schweigen. »Jetzt sollten wir uns allerdings möglichst schnell auf die Suche machen.«
Von Gandar war ebenfalls bleich geworden, nickte aber. »Das war natürlich zu erwarten. Karon darf diesen Planeten unter keinen Umständen verlassen. Ich werde noch mehr Späher ausschicken. Dürfte nur nicht einfach sein, die Kinder zu finden. Die Wölfe sind jetzt überall und unsere magischen Fähigkeiten sind nach dieser langen Zeit noch ... relativ unterentwickelt.«
»Wenn das heißt, dass Sie auch nicht über größere Heilerfähigkeiten verfügen, möchte ich Sie bitten, uns die Armbänder abzunehmen«, forderte Erma, praktisch veranlagt. »Ihnen wird sicher nicht entgangen sein, dass der Ringlord verletzt ist.«
Der schien zunächst irritiert durch den Themenwechsel, nickte jedoch erneut. »Selbstverständlich! Entschuldigen Sie die Vorsichtsmaßnahme, aber Karon hat häufiger versucht, Spione bei uns einzuschleusen. Und irgendwie war ich jetzt abgelenkt durch die unheilvollen Neuigkeiten.«
Er beeilte sich, Erma und Lennart von den Armbändern zu befreien. Bei Aeneas zögerte er merklich und sah ihn skeptisch an.
Der erwiderte den Blick mit Gleichmut. »Sie wissen selbst, dass Sie mit Ihren im Moment begrenzten magischen Fähigkeiten allein nicht die geringste Chance haben, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Ich gebe Ihnen mein Wort als Ringlord, dass es mir nur um die Sicherheit meiner Schutzbefohlenen
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