Die Suche nach der Sonne
möglich war, mit den Möglichkeiten und Grenzen von Mannschaft und Fahrzeug vertraut zu machen. Der Abschied von Land-a war kurz und völlig zwanglos. Dann erhob sich die Shellback unter Cherrys zitternden Fingern bockend in die Luft – ihre phantastische Reise hatte begonnen.
Wie Land-a angekündigt hatte, wurde der orainische Luftraum gründlich überwacht. Territoriale Streitigkeiten zwischen Nationen, die Teil der Föderation waren, und solchen, die es nicht waren, gehörten zur Tagesordnung und wurden oft durch begrenzte Militärschläge gelöst. Sie waren deshalb nicht überrascht, daß die Radardetektoren anschlugen, sobald sie sich über orainischem Gebiet befanden. Man hatte ihre Anwesenheit entdeckt.
Ihr einziger Vorteil lag darin, daß die orainischen Verteidiger die Shellback anfangs unterschätzten. Ihrer Größe nach hielt man sie für ein Atmosphärenfahrzeug, und man schickte ihnen, um der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, einige Abfangjäger entgegen. Cherry kämpfte verbissen um Höhe, um die Shellback glatt zum Kraterrand hinaufzubekommen. Die erste Welle der Angreifer passierte weit unter ihnen, sie konnten weder mit der Flughöhe noch der Steiggeschwindigkeit der Shellback mithalten. Daraufhin änderten die Orainer ihre Verteidigungstaktik. Ein kampfstarkes Geschwader exosphärentauglicher Abfangjäger erschien auf den Schirmen, und die Bedrohung, die in ihrem Anflugwinkel lag, war nur zu offensichtlich.
Die Shellback war aufgrund ihres fehlenden aerodynamischen Profils in den unteren Schichten der Atmosphäre gegenüber den Angreifern im Nachteil. Aber als mit der Höhe die Atmosphäre immer dünner wurde, erreichten sie bald dieselbe Steiggeschwindigkeit wie ihre Angreifer. Allerdings fehlte ihnen immer noch die Geschwindigkeit über Grund. Während sich ihnen die schnellen Jäger näherten, um die Eindringlinge zu stellen, arbeitete nur ein Faktor zu ihrem Vorteil: Ihr unberechenbarer Kurs, der in einem scheinbar selbstmörderischen Steigflug auf die Bergflanke zuführte. Ancor war zuversichtlich, daß er über die Waffen verfügte, um aus einem Gefecht als Sieger hervorzugehen, aber er litt unter einem ernsten Handikap – Cherry war kein erfahrener Kampfpilot und würde nie einer werden.
Bald kamen die Jäger in Schußweite. Ancor, der die Fähigkeiten der Shellback eingehend studiert hatte und ’ den völligen Mangel an Gefechtserfahrung seiner Mannschaft wettmachen wollte, beschloß, auf das automatische Raketenabwehrsystem zu verzichten. Statt dessen benutzte er die eigentlich zur Meteoritenabwehr vorgesehenen Laser. Er vertraute darauf, daß die gegenwärtige Höhe für ihren wirkungsvollen Einsatz ausreichte. Ancor ging davon aus, daß er schneller als die automatischen Waffenleitsysteme der Angreifer reagierte. Die scheinbar ziellos um sie herum detonierenden Gefechtsköpfe gaben ihm recht, aber gleichzeitig machte sich in ihm auch ein Gefühl des Versagens breit: Ein echter Kampf wurde nie dadurch gewonnen, daß man sich auf unerprobte Waffen verließ, und die Effektivität seiner Verteidigung war eher Ergebnis von Zufall als von Planung.
Cherry drängte die Shellback hartnäckig immer weiter nach oben zum Kraterrand. Sie stiegen jetzt nahezu senkrecht an den oberen Bergflanken auf. In dieser Höhe stellten sie ein leichtes Ziel für die Boden-Luftraketen dar, die mit bösartig glühenden Schweifen aufstiegen. Wahrscheinlich hatten sie es nur der Anwesenheit der anderen Angreifer zu verdanken, daß sie den Raketen entkamen. Dann erreichte die Shellback dieselbe Steiggeschwindigkeit wie die Raketen und stieß in die Exosphäre vor. Sie ließ die Jäger hinter sich und stieg immer höher. Und dann stürzte sie über den breiten Rand Han-sa-Arims.
Kapitel 8
Der Kraterrand Han-sa-Arims bestand aus einem ringförmigen Plateau von ungefähr 3500 Kilometern Breite. In der Mitte des Plateaus befand sich das ›Loch‹, in dem die Käfigwelt schwebte. Die Passagiere der winzigen Shellback, die in niedriger Höhe über das gewaltige Artefakt hinwegflog, erfaßte Ehrfurcht vor den Größenordnungen, in denen Zeus operierte. Der Kraterrand war eine Ebene aus einer milchigen, undurchsichtigen Substanz, die von Zeus’ Terraforming-Maschinen nahezu vollkommen glatt poliert worden war. In einer Höhe von 1600 Kilometern über der Mars-Schale gab es keine Luft mehr, die die Existenz irgendwelcher Lebensformen erlaubt hätte. Die Ebene verströmte eine Aura der Fremdheit und
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