Die Suche nach der Sonne
Venus-Schale ähnlich vielfältig wie die anderen Schalen, und nichts wies darauf hin, daß sie Zeus beherbergte. In der Schale gab es elf Käfigwelten, und da ihr Anflugkurs sie in die unmittelbare Nähe einer von ihnen brachte, wurde sie von den Reisenden zum Ausgangspunkt ihrer Operationen erkoren. Sie verbrachten eine Woche mit Erkundungsflügen, ohne sich dabei jemals weiter als eine Million Kilometer von dem ›Vulkan‹ zu entfernen, der ihnen Zugang zum Zwischenraum gewährte. Bei einem dieser Flüge fanden sie den ›Kristalltempel‹, ein Gebäude, das aus dem Rahmen fiel, weil es wenig mit der nüchternen Zivilisation gemein hatte, die sein Umland bevölkerte. Sine regte an, daß es sich bei dem Bauwerk um das Überbleibsel einer älteren Kultur handeln konnte. Die faszinierenden Wandbilder der Pyramiden auf M13 waren ihnen noch gut in Erinnerung, und sie beschlossen, sich das Gebäude genauer anzusehen.
Der Begriff ›Kristall‹ erwies sich als zutreffend. Beim Bau der Schale war – absichtlich oder durch einen Unfall – ein riesiges Quarzvorkommen auf mehrere tausend Grad erhitzt worden. Das Resultat waren natürliche Kristalle von verblüffender Klarheit. Diese hatte man später gefördert und mit großer Hingabe bearbeitet. Die Kunsthandwerker, die den Tempel errichteten, hatten sie sowohl als Baumaterial als auch zur Verzierung verwendet. Unter den Strahlen der örtlichen Proto-Sonne schien das gesamte Gebäude wie ein Juwel zu funkeln, und die vielen Winkel der Blöcke fingen innerhalb der Mauern phantastische Regenbögen ein.
Sie landeten nur wenige Gehminuten entfernt. Zu ihrer Überraschung erregte ihre Ankunft keinerlei Aufmerksamkeit. Als sie auf das Gebäude zugingen, fragten sie sich sogar, ob es verlassen war, denn es erschienen keine Führer oder Wachen, und sie hatten den Ort für sich alleine.
Im Gebäude kamen ihnen Zweifel, ob man es überhaupt als Tempel bezeichnen konnte. Sie fanden keine Hinweise auf irgendeine religiöse Bedeutung. Es erschien ihnen eher als ein Museum, das lediglich zwei Reihen von ›Ausstellungsvitrinen‹ beherbergte, die wiederum nichts anderes als große Kristallinsen waren, die man in seltener Perfektion poliert hatte.
Ancor hielt vor einer der Vitrinen inne. Seine Aufmerksamkeit wurde von einem Bild gefesselt, das er in der Linse sah. Dort, tief im Material des Kristalls gefangen, lag eine der vollendetsten Waffen, die er jemals gesehen hatte. Hätten alle Waffenmeister der Mars-Schale ihr Wissen und ihre Möglichkeiten vereint, wäre ihnen vielleicht eine ähnliche Waffe gelungen. Ancors erfahrener Blick verriet ihm, daß ihre tödliche Wirkung ihrer Schönheit in keiner Weise nachstand.
Cherry, der eine Vitrine weiter stehengeblieben war, stieß eine Verwünschung aus. Maq fragte sich, was für ein Bild der Illusionist sah, als Cherry plötzlich sagte: »Maq, du mußt unbedingt diese Holo-Projektions-Ausrüstung sehen! Sie ist allem, was man auf der Mars-Schale kennt, um Jahre voraus.«
»Tu mir einen Gefallen«, sagte Ancor leise. »Komm hierher und sieh in meine Linse, während ich in deine sehe. Ich habe ein komisches Gefühl, was diese Ausstellungsstücke angeht.«
Cherry zuckte verständnislos die Achseln, folgte aber Maqs Bitte.
»Was siehst du jetzt?« fragte Ancor.
»Eine weitere Holo-Ausrüstung natürlich. Was…?«
»Ich habe darin eine Waffe gesehen. Jetzt sehe ich in deinem noch eine. Diese verfluchten Dinger lesen unsere Gedanken und zeigen uns Bilder von dem, was jeder von uns für perfekt hält.«
Carli, die mit Sine die Regenbogen in den Wänden betrachtet hatte, kam herüber, um zu sehen, was Maq und Cherry gefunden hatten. Sie blieb verzückt vor einer der Linsen stehen.
»Oh, was für wundervolle Babies!« sagte sie. »Komm und sieh sie dir an, Tez.«
Tez kam an ihre Seite und sah in die Linse. Er lächelte, aber sein Lächeln war nicht sehr überzeugend.
»Sind sie nicht wunderschön?« beharrte sie.
»Sag uns, was du siehst«, sagte Ancor freundlich.
»Ich sehe natürlich Carli. Diese Dinger sind eine Art Spiegel, nicht wahr?«
»Ja, aber ganz besonderer Art. Sie scheinen statt Licht Gedanken zu reflektieren. Sine, komm her und sieh hier hinein und sag uns, was du siehst.«
Sine Anura stand vor der Linse und starrte in sie hinein. Sie machte einen Schritt zurück, in ihrem Gesicht zeichnete sich blanke Furcht ab.
»Es ist schrecklich, Maq! Diese Dunkelheit… sie wirbelt… versucht, mich
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