Die Suche nach der Sonne
hineinzuziehen…«
»Dunkelheit?« Ancors Stimme spiegelte seine Überraschung wider, aber seine nächste Frage wurde von einem neuen Phänomen verhindert. Die Linse stieß ein schrilles Läuten aus, das schnell lauter wurde und den ganzen Tempel erfüllte. Der Ton hatte etwas hypnotisches an sich. Er verdrängte alle anderen Gedanken aus ihren Köpfen und nahm ihnen jedes Zeitgefühl. Ein Funke seines ursprünglichen Bewußtseins warnte Maq, daß die Proto-Sonne unterging und es bald dunkel sein würde, aber wie die übrigen hatte auch ihn das Läuten versteinert. Dann kamen die Wächter des Tempels.
Die Linse verstummte, und Maq wurde von einem Alptraum der Ungewißheit in einen Alptraum der Gewißheit gerissen, konnte aber nicht reagieren. Seine Gedanken waren in einem sonderbaren Netz gefangen. Als zehn Gestalten in Roben, die Köpfe von Kapuzen verdeckt, Sine von ihnen trennten, konnte Ancor weder seine Finger zu der Waffe an seiner Hüfte zwingen, noch vermochte er seine Zunge zu einem Protest zu veranlassen.
Die Kapuzenträger bildeten einen Kreis um Sine. Sie faßten sich an den Händen und stimmten einen mächtigen Gesang an. Die Worte blieben ein Geheimnis, aber ihre Wirkung auf Sine war ebenso offensichtlich wie stark. Sie schwang im Rhythmus der Musik, und ihre Haut wurde so geisterhaft bleich, als ob alles Leben aus ihr gewichen wäre. Dann ging sie mit gefalteten Händen in die Knie und warf einen flehenden Blick in Ancors Richtung. Die Kapuzenträger rückten näher an sie heran; ihr Gesang steigerte sich zu einem Jubel.
Irgendwie gab die Verzweiflung Ancor die Kraft, die Lähmung ein wenig zu durchbrechen. Er öffnete den Mund und stieß einen heftigen Schrei aus: »Wartet!«
Kapitel 20
Der Ring der Kapuzenträger brach auseinander, und einer der Männer kam auf Ancor zu.
»Sorge dich nicht, mein Freund. Es wird bald vorüber sein.«
»Was… wird bald vorüber sein?« Maq kämpfte um die Kontrolle über seine Glieder. Seine Stimme war, wenn auch stockend, laut und klar.
»Die Teufelin. Sie muß sterben. Sie ist unnatürlich.«
»Sie ist Engelianerin. Eine von uns. Sie ist keine Teufelin.«
»Die Spiegel sagen uns das Gegenteil. Wir müssen die Tiere vernichten, die sich mit uns fortpflanzen, um die menschliche Rasse zu erhalten. Sonst ist die gesamte Menschheit verloren.«
»Wir alle stammen von Tieren ab«, sagte Ancor, und seine Stimme hallte von den sich verdunkelnden Wölbungen der Kristalldecken wider.
»Zugegeben! Aber ihre Rasse ist kein Produkt der Natur.«
»Diese Spitzfindigkeit ist mir zu hoch«, sagte Ancor. »Laßt sie in Ruhe!«
Aus dem Augenwinkel heraus konnte Ancor sehen, daß Sine Anura sich langsam erholte. Seine Unterbrechung hatte den Druck, den die Kapuzenträger auf sie ausübten, gemildert. Ihre Körperhaltung hatte sich nur unmerklich verändert, aber die grüne Farbe kehrte wieder in ihre Züge zurück. Der Kapuzenträger zuckte die Achseln, als wollte er ausdrücken, daß es sinnlos war, das Gespräch fortzusetzen. Er drehte sich um und ging zurück zum Ring. Als sich der Kreis öffnete, um ihn aufzunehmen, schlug Sine Anura mit der Geschwindigkeit einer Kobra zu. Sie zwängte sich in den Ring, und die zehn Männer fielen gleichzeitig um, nicht tot, aber betäubt. Fast im selben Augenblick wurde die Vorderseite des Tempels von einer gewaltigen Explosion erschüttert. Durch die herumfliegenden Bruchstücke glitten zwei Menschenjäger herein.
Die plötzliche Gefahr schüttelte Maq vollständig aus seinem hypnotischen Zustand. Noch bevor die Menschenjäger die glasigen Trümmer ganz hinter sich gelassen hatten, hatte Maq bereits die Waffe gezogen. Er feuerte geschickt ein Granat-Geschoß unter die Ketten der vorderen Maschine. Dann sprang er in Deckung und robbte auf der Suche nach einer Position, von der aus er die zweite Maschine angreifen konnte, hinter einer Reihe von Kristallinsen entlang. Ungefähr eine Minute lang spielte er zwischen den Kristallinsen ein tödliches Katz- und Mausspiel mit dem Menschenjäger; dann machte ihn ein Ausrutscher für den Bruchteil einer Sekunde zwischen zwei Spiegeln sichtbar. Der Menschenjäger nahm ihn mit einer Geschwindigkeit ins Visier, die nur durch ausgetüftelte Servo-Mechanismen möglich war. Ancor wartete darauf, von Hochgeschwindigkeitsgeschossen in Stücke gerissen zu werden.
Aber nichts geschah. Ancor steckte seine Waffe in den Halfter und ging unsicher auf den Menschenjäger zu. Die Maschine bewegte
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