Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Nacht so angespannt fühlte. Er war ziemlich aufgekratzt, seit er Rose am Nachmittag gesehen hatte.
Er nahm einen Schluck und sah zum Fenster.
Sie ist aber auch echt heiß.
Er rief sich in Erinnerung, wie sie am Nachmittag ausgesehen hatte – enges weißes Schlauch-Top und kurze, abgeschnittene Jeans.
Ein Glück, dass Sommer ist!, dachte er und wartete weiter.
Als das Licht noch immer nicht auftauchte, nachdem er Rose oben bereits ein paar Minuten lang gehört hatte, seufzte Clayton enttäuscht.
Wo ist es denn?
Er drehte sich um und sah auf die Uhr. Sie verriet ihm die Antwort. Es war erst 0:30 Uhr. Wenn er von den drei vergangenen Nächten ausging, würde sich das Licht erst um 0:50 Uhr zeigen.
Erst in 20 Minuten.
Rose war zu früh dran.
Die arme Frau, dachte Clayton. Sie wird von Nacht zu Nacht nervöser.
Er fragte sich, in welchem Zustand sie sich wohl nach einem Monat des Wartens und Auf-und-ab-Gehens befinden würde.
Vielleicht wäre sie dann ja wirklich dankbar für ein bisschen Gesellschaft. Immerhin hatte sie ihn angelächelt, also wusste sie ganz offensichtlich, dass er ebenfalls im Haus wohnte, und betrachtete ihn als freundlichen Nachbarn.
Ich kann nicht. Das bin ich nicht. Ich hab noch nie bei einer praktisch völlig Fremden geklingelt und sie gefragt, ob sie vielleicht gern ein wenig Gesellschaft hätte. Sie wird mich für verrückt halten oder noch Schlimmeres.
Trotzdem erregte ihn der Gedanke.
Bumm, bumm, bumm, bumm … Bumm, bumm, bumm, bumm …
Sie war ganz allein dort oben. Jung, wunderschön und verängstigt. Wahrscheinlich brauchte sie dringend einen starken Arm, der sie tröstete und wärmte, bis ihr Ehemann wieder nach Hause kam.
Er dachte an seine Unterhaltung mit Geoff am vergangenen Abend. Daran, was Geoff zu ihm gesagt hatte – »Wieso gehst du nicht einfach zu Rose nach oben und leistest ihr Gesellschaft, bis Hal nach Hause kommt …? Wenigstens hält sie dich dann nicht mehr mit ihrem Getrampel auf Trab.«
Warum eigentlich nicht? Ich habe schließlich nichts zu verlieren.
Außer seinen Zähnen, falls sie ihrem Mann davon erzählte, wenn er nach Hause kam.
Aber er kommt frühestens in einer Stunde nach Hause. Stell dir das doch nur mal vor – eine ganze Stunde mit Rose. Ich muss endlich mal beweisen, dass ich Eier in der Hose habe, und hin und wieder was riskieren.
Er beschloss, dass es wert war, ein paar Zähne zu verlieren, wenn er dafür ein bisschen Zeit mit Rose verbringen konnte.
Clayton erhob sich und ging zur Tür. Er trug noch immer seine Jeans und sein T-Shirt und musste sich daher nicht umziehen. Er machte trotzdem einen Abstecher zum Bad, um sein Deo aufzufrischen und mit Mundspülung zu gurgeln, bevor er die Wohnung verließ.
Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und lugte hinaus auf den düsteren Korridor. Alles war ruhig. Er trat hinaus, schloss die Tür hinter sich und schlich zur Treppe, die in den obersten Stock hinaufführte.
Eigentlich hätte er nicht so leise sein müssen, schließlich kamen und gingen im Haus die ganze Nacht über Leute – hier spielten sich noch ganz andere Sachen ab als Szenen, in denen ein Mann einer armen, hilflosen Frau zu Hilfe eilte –, aber er kam sich irgendwie hinterhältig vor und schämte sich sogar ein bisschen.
Schließlich war er unterwegs, um einer verheirateten Frau einen Besuch abzustatten.
Vorsichtig erklomm Clayton jede einzelne Stufe. Als er das Ende der Treppe erreichte, war er erleichtert, dass ihm unterwegs keine nächtlichen Besucher begegnet waren.
Er wischte sich seine verschwitzten Handflächen an der Jeans ab und ging den Flur entlang.
Normalerweise wäre Clayton einer der Ersten gewesen, die sich über die schlechte Beleuchtung im Gebäude beschwerten, aber heute Nacht war er dankbar dafür.
Vor Apartment 612 blieb er stehen.
Ich bin gekommen, um dir zu helfen, Rose.
Aber auch seine guten Absichten konnten seine Nervosität nicht verbergen. Er blickte auf die Reihen aus Türen in seinem Rücken und erwartete, dass sich jeden Moment eine von ihnen öffnen, eine neugierige Nachbarin ihren Kopf herausstrecken und ihm sagen würde, er solle verdammt noch mal verschwinden. Ihr Mann sei nämlich Polizist und er solle bloß aufpassen, was er tat.
Er hob seinen Arm, klopfte aber nicht.
Ihm fiel wieder ein, dass er, falls er tatsächlich erfolgreich sein und Rose ihn einlassen sollte, sein Licht verpassen würde.
Komm schon, Clay. Was ist wichtiger? Mit einer schönen Frau zu schlafen oder
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