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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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aber wirklich nicht schlimm.»
    «Am See hatten Sie also noch keine Schmerzen?»
    «Nein.»
    «Wir sollten doch einen Arzt rufen, der sich Ihre Verletzungen einmal anschaut», schlug er vor.
    «Nein!», erklärte sie trotzig wie ein Kind, das den warmen Schal nicht umbinden will. «Ich will keinen Arzt. Und wenn ich keinen will, dürfen Sie keinen rufen. Mich darf kein Arzt untersuchen, wenn ich es nicht will. Das wäre Körperverletzung.»
    Sieh an, dachte er, Körperverletzung. Laut fragte er: «Ha ben Sie etwas gegen Ärzte?»
    Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie die Schultern anhob und wieder sinken ließ. Nach ein paar Sekunden meinte sie: «Etwas dagegen haben ist zu viel gesagt. Ich halte nichts von ihnen. Sie erzählen einem irgendeinen Quatsch. Und man muss ihnen glauben, weil man das Gegenteil nicht beweisen kann.»
    «Wissen Sie, welchen Beruf Georg Frankenberg ausübte?»
    Ihre Stimme schwamm auf einer Pfütze Verzweiflung, es entging ihm nicht. «Woher soll ich das wissen, wenn ich den Mann nicht kannte?»
    Das war die Wahrheit, die reine Wahrheit. Ein fremder Mann. Aber seine Frau hatte das Lied gehabt! «Ich spule ein Stück vor   …» Und in ihrem Kopf spulte etwas zurück. Der Chef ließ ihr keine Zeit nachzudenken, wie, wann und unter welchen Umständen das Lied von der Kassette in ihren Kopf gekommen sein könnte. Dabei wäre es wichtig gewesen, das zu wissen.
    «Haben Sie häufig Kopfschmerzen?», fragte er.
    «Nein. Nur wenn ich schlecht geschlafen habe.»
    «Möchten Sie ein Aspirin? Ich glaube, wir haben welches hier.» Er durfte ihr nichts geben, auch nicht so etwas Harmloses wie Aspirin. Sie hätte später behaupten können, er habe ihr etwas eingeflößt, das ihren freien Willen beeinträchtigte.Er fragte nur, um zur Abwechslung wieder mal ein Ja von ihr zu bekommen.
    Und sie sagte: «Nein. Das ist lieb gemeint, aber Aspirin hilft mir nicht. Meine Schwiegermutter hat Tabletten, manchmal nehme ich eine davon. Man bekommt sie aber nur auf Rezept. Es ist ein sehr starkes Mittel.»
    «Dann müssen es doch auch sehr starke Schmerzen sein», meinte er, während er Kaffeepulver in eine Filtertüte häufte. Er setzte den Filter ein, drückte auf den Schalter an der Maschine und drehte sich zu ihr um.
    «Ja, manchmal, aber jetzt nicht. Wirklich», sie schüttelte den Kopf, «ich kann es aushalten. Hören Sie: Würden Sie bitte die Maschine noch einmal ausschalten und zuerst die Kanne spülen? Sie ist schmutzig, sehen Sie diesen Film da am Boden? Den müssen Sie wegreiben, wenn Sie nur mit Wasser spülen, das hilft nicht.»
    Der Ausdruck von Ekel auf ihrem Gesicht war nicht zu übersehen. Ordentliches Mädchen, dachte Rudolf Grovian mit einem Anflug von Sarkasmus, nach dem ihm nicht zumute war. «Ich wette», sagte er leise, «Sie spülen die Kanne jedes Mal richtig aus.»
    «Natürlich.»
    «Und auch sonst ist in Ihrem Haushalt alles blitzblank.»
    «Ich habe nicht viel Zeit für den Haushalt. Aber ich gebe mir Mühe, alles sauber zu halten.»
    «Ihr Leben auch?», fragte er.
    Obwohl sie sich so elend fühlte, dass sie kaum noch klar denken konnte, glaubte sie zu begreifen, worauf er abzielte. Ihre Hände umfassten automatisch die vernarbten Armbeugen. Ihre Stimme klang heiser vor Abwehr. «Wie meinen Sie das?»
    «Wie ich es sage. Sie mögen nicht über früher sprechen. Ihr Mann war doch bestimmt nicht der erste Mann in Ihrem Leben. Waren Sie glücklich mit ihm, Frau Bender?»
    Sie nickte nur.
    «Und warum haben Sie dann vor ein paar Stunden zu ihm gesagt, Sie hätten ihn nie heiraten dürfen?»
    Sie zuckte mit den Achseln, führte eine Hand zum Mund und begann am Daumennagel zu knabbern.
    «Er hat Sie übel zugerichtet», sagte Rudolf Grovian und deutete auf ihr Gesicht. «Hat er Sie öfter geschlagen?»
    «Nein!» Die Heiserkeit war verschwunden, ohne dass sie sich hatte räuspern müssen. Sie wurde energisch: «Gereon hat mich nie geschlagen. Heute, das war das erste Mal. Und es ist verständlich. Versetzen Sie sich doch mal in seine Lage! Was würden Sie tun, wenn Ihre Frau plötzlich aufspringt und mit einem Messer auf einen fremden Mann einsticht? Sie würden auch versuchen, Ihrer Frau das Messer wegzunehmen. Und wenn sie es sich nicht wegnehmen lässt, würden Sie sie schlagen. Das ist ganz normal.»
    Rudolf Grovian rubbelte den Kannenboden mit den Fingerspitzen blank, schob die Kanne zurück unter den Filter und drückte noch einmal auf den Knopf, während er erklärte: «Ich kann mich

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