Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
mitteilen soll, Gerald?“
„Eine ganze Menge würde ich ihm gerne mitteilen!“, schimpfte Gerald. „Aber du bist ja wohl kaum die richtige Botin dafür!“
„Er hat doch nichts Böses getan“, sagte Viperia kleinlaut. Sie verehrte Ritter Gangwolf zutiefst und war immer verwirrt, wenn Gerald ihre Bewunderung für den Ritter nicht teilte.
„Immer lässt er andere die Drecksarbeit für ihn erledigen!“
„Was meinst du mit Drecksarbeit?“, fragte Viperia. „Wovon redest du? Von deiner Familie?“
„Ich rede von seiner Exfreundin und von seinem Sohn, die er glücklich aus seinem Leben verbannt hat, damit er das Leben führen kann, das ihm Spaß macht!“
„Du täuscht dich, Gerald. Dein Vater ist sehr besorgt …“
„… um seine Freiheit. Vor allem darum!“
„Ich muss jetzt los“, sagte Viperia und beeilte sich, von ihrem Ast wegzukommen, ebenso wie von Ritter Gangwolfs Sohn. Sonst müsste sie womöglich noch Nachrichten überbringen, die sie sehr ungern transportierte. Es wäre nicht der erste Vater-Sohn-Streit, der auf ihrem Rücken und mithilfe ihrer Flügel ausgetragen wurde.
„So ein Mist!“, sagte Gerald als sie fort war. „So ein gewaltiger, bescheuerter Mist! Ich kann doch gar nichts anderes machen, als nach Hause zu gehen!“
Scarlett ergriff seine Hand, die ganz kalt war. Sie musste nichts sagen. Sie wusste, dass er lieber geblieben wäre, und er wusste, dass ihr der Abschied schwerfiel. Doch Gerald wäre nicht der Junge, den Scarlett liebte, wenn er seine Mutter und seine Schwester im Stich gelassen hätte. Sie schauten sich beide an, Gerald drückte Scarletts Hand, und damit war alles entschieden. Wo auch immer er hingehen würde, er verließ sie nicht, und umgekehrt war es genauso.
Thuna konnte kaum glauben, was Maria ihren Freundinnen am Abend zuvor erzählt hatte. Doch Maria log nicht, ihr Kummer und ihr Entsetzen waren echt. Der schwarze Löwe war in das Reich hinter den Spiegeln eingedrungen und hatte ein Wesen, das dort lebte, ermordet. Obwohl Thuna nichts dafür konnte, fühlte sie sich für die Tat des Löwen verantwortlich. Sie hatte die Aufsicht über die Löwen, sie hatte die Polluxe versorgt und aufgezogen. So etwas hätte niemals passieren dürfen!
Da half es nichts, dass ihre Freundinnen immer wieder behaupteten, dass weder Thuna noch sonst jemand (außer vielleicht Estephaga Glazard und ihre Schwester) etwas dafür könnten. Thuna fühlte sich trotzdem schuldig. Auch deswegen, weil sie nun eigentlich zu Grohann hätten gehen müssen, um ihn zu warnen und ihm zu verraten, wie gefährlich der Löwe in Wirklichkeit war. Doch das hätte bedeutet, dass Grohann von der Welt hinter den Spiegeln erfahren hätte und davon, dass Maria ein Erdenkind war, und das sollte er nun mal überhaupt nicht wissen.
Heute, an diesem stürmischen Tag, ging Thuna gleich nach dem Frühstück zum Löwengehege. Pollux hatte am Abend zuvor herzerweichend gejammert, als sie ihn verlassen hatte, darum wollte sie schnell bei ihm sein, damit er nicht traurig war. Er war aber kein bisschen traurig, wie sie feststellte, als sie mit ihrem Schlüssel das Gehege aufschloss. Denn in dem Gehege saß Grohann neben Pollux auf dem Boden und kraulte diesen hinter den Ohren, genauso, wie es Pollux am liebsten hatte. Das erklärte auch, warum der Steinbockmann beim Frühstück gefehlt hatte. Thuna war sehr überrascht. Hatte sich der Löwe doch in letzter Zeit nur noch von ihr anfassen lassen wollen!
Grohann erklärte Thuna, dass der Löwe nun rund um die Uhr bewacht werden sollte, da die dritte Vollmondnacht bevorstand. Bis Mitternacht musste der schwarze Löwe zu seinem Bruder zurückgekehrt sein, was bedeutete, dass er die Nähe des hellen Löwen suchen würde. Wenn dies geschah, war es sicherer, wenn ein Zauberer zugegen war. Das leuchtete Thuna ein. Da sie sah, dass Pollux keine Qualen litt, und sie den Morgen bestimmt nicht mit Grohann in einem Gehege verbringen wollte, streichelte sie ihren Löwen nur kurz und kehrte dann in die Festung zurück.
Sie hatte an diesem Morgen keine Schule, es war Wochenende. Die Bande war geheilt, deswegen musste Thuna auch nicht zum Dienst auf der Krankenstation antreten. Trotzdem schlug Thuna diesen Weg ein, um Rackiné zu besuchen, der dort immer noch lag und schlief. Auf dem Flur begegnete sie Estephaga Glazard, die einen nervösen Eindruck machte. Sie hatte wegen des Löwen einigen Ärger mit Grohann bekommen und versuchte nun, auf jede mögliche oder
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