Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
Von der Schändung der Hostien, der Vergiftung von Brunnen bis zum Verzehr christlicher Säuglinge.
    Aleanders schwarzer Trupp hielt auf den Palast des Erzbischofs zu, der an die Kathedrale Santiagos angebaut war. Vor einem schmalen Durchgang, der auf den Kathedralplatz hinabführte, setzte Aleander ab. Hinkend stieg er die dunkle Steintreppe unter dem Tor hinab und tauchte in das Gewimmel auf der Plaza del Obradoiro – benannt nach den Handwerkern der Kathedrale – ein. Auf der Freifläche tummelten sich Pilger, fliegende Händler, Bettler, berittene Adelsherren, Mägde, Nonnen, Stadtbeamte und Kirchendiener.
    Ihr Stimmengewirr wurde übertönt vom Klang der Schmiedehämmer und dem spitzen Geräusch von Meißeln, die in Stein getrieben wurden. In der Dombauhütte wurde an Quadern, Rippenbögen und Kapitellen für einen Kreuzgang gearbeitet, der den hölzernen Vorgängerbau ersetzen sollte. Wie ganz Spanien profitierte Santiago vom Gold aus Westindien und vermehrte seinen überreichen Prunk.
    Aleander blinzelte, als er in die Nachmittagssonne trat. Nur auf diesem weiten Platz beleuchtete die Sonne die granitene Stadt ungehindert. Im Gassengewirr ringsum herrschten Dunkel und Schatten, was im August erfrischend, im Winter bedrückend war. Den Dominikaner schwindelte, als er in den Palast des Bischofs eintrat und die Treppe zu den Festsälen emporstieg. Reiten war für ihn weniger beschwerlich als Gehen. Zu Pferde konnte er seine Behinderung vergessen. Nun merkte er, wie enthaltsam er in den letzten Tagen gelebt hatte und wie quälend die glühende Hitze war. Schwer atmend erreichte er die Tür zum Festsaal. Die Wächter ließen den Inquisitor wortlos passieren. Langsam – um nicht atemlos zu erscheinen – durchquerte Aleander den Raum, dessen Pracht jeden Besucher einschüchtern sollte, bevor er das Empfangszimmer des Erzbischofs betrat. Der Gang durch den Saal war Aleander seines Hinkens wegen verhasst. Die Schönheit des Raumes ließ seine Missbildung deutlich hervorstechen.
    Das vierhundert Jahre alte Steingesims des Saals zeigte Bilder eines Festmahls, Musikanten, leichtfüßige Tänzer. Die Rippengewölbe der Decke waren mit Schlusssteinen verziert, die umso prunkvoller wurden, je näher man dem Zimmer des Bischofs kam. Zuletzt erhoben sich Engel über dem Kopf des Betrachters, so als stünde er vor den Pforten zum Paradies.
    Aleander schnaubte: Juan Prado Tavera war ein geschmeidiger Diener Gottes, aber kaum unschuldig genug, um den Garten Eden zu repräsentieren. Geschweige denn war er daran interessiert, dass vor Gott alle Menschen gleich wurden. Er hielt vor dem Zimmer des Erzbischofs inne, um Staub von seiner Kutte zu klopfen. Ein Mönch in Benediktinerhabit öffnete für ihn die Tür und kündigte flüsternd seinen Besuch an.
    »Euer erzbischöfliche Gnaden, der Chefankläger des Heiligen Officiums zu Santiago, Aleander von Löwenstein, bittet um eine Audienz.«
    Zu Aleanders Ärger ließ der Bischof sich Zeit, bis er durch ein Nicken sein Einverständnis bekundete. Endlich drehte sich der Benediktiner zu Aleander um und machte den Weg frei.
    Juan Prado Tavera war ein Mann mit Fuchsaugen über hohlen Wangen. Kaum älter als Aleander, hatte er eine der begehrtesten Pfründe Spaniens erlangt. Ohne langwierige Studien oder religiöse Inbrunst. Seine Familie, eines der mächtigsten Geschlechter Santiagos, hatte ihm den Bischofssitz durch Stiftungen an die Kurie gesichert.
    Tavera thronte auf einem Armstuhl und streckte die rechte Hand zur Seite. Aleanders Miene zeigte Demut, während er sich neben ihn hinkniete und den Bischofsring küsste. Als er sich erheben wollte, um zu sprechen, legte Tavera den Zeigefinger an die Lippen.
    »Psst! Du hast Glück, Bruder Aleander. Eben ist mein Uhrmacher aus Cremona in Italien zurückgekehrt. Er hat mir ein Wunderwerk seines Könnens versprochen. Corriano, du kannst beginnen.«
    Wie ärgerlich, dachte Aleander. Er hatte der Vorführung irgendeines Spielzeugs beizuwohnen, an denen Tavera so viel Gefallen fand. Vor allem seit der Erzbischof wusste, dass der Kaiser Freude an mechanischem Schnickschnack hatte. Genau wie an türkischen Teppichen, die den Steinboden zierten, flandrischen Tapeten voll von Tieren und Gemälden mit heidnischen Gottheiten.
    Auch Aleander gefiel sich bisweilen in der Vorstellung, eines Tages einen Palast mit so schönen wie nutzlosen Dingen zu füllen und dem Privileg der Mächtigen zu frönen: der Demonstration kostspieligen Müßiggangs. Doch

Weitere Kostenlose Bücher