Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
mein Zeug durchsuchen, finden sie die Einnahmen und nehmen sie mir weg. ‹Sklaven dürfen nichts besitzen›, sagen sie. ‹Sklaven sind Besitz.›»
Sjako sagte, die Herren erlauben Sklaven nicht, Geld oder Waren zu besitzen, weil Sklaven mit Geld eher davonlaufen. Philander sagte, das wären böse Worte. Cupido sagte zu Moses, dass Herr Grote ihn besser achten und bestimmt auch besser behandeln wird, wenn er weiter Löffel schnitzt und sie Herrn Grote gibt. Das ist wahr, sagte ich, wenn der Herr ein guter Herr ist, aber für einen schlechten Herrn gilt das nicht.
Cupido und Philander sind die Lieblinge der niederländischen Beamten, weil sie bei den Abendgesellschaften musizieren. Sie nennen sich «Diener» und benutzen besondere niederländische Wörter, vornehm wie Spitze und Perücken. Sie sprechen von «meiner Flöte» und «meinen Strümpfen». Dabei gehören Philanders Flöte und Cupidos dicke Geige und ihre feinen Kleider ihren Herren. Schuhe tragen sie auch keine. Als der Vorstenbosch im vergangenen Jahr absegelte, verkaufte er die beiden an den van Cleef. Sie behaupten, der neue Chef hätte sie vom alten Chef «übernommen», aber sie wurden für fünf Guinees pro Mann verkauft.
Nein, ein Sklave kann nicht einmal sagen «Das sind meine Finger» oder «Das ist meine Haut». Unsere Körper gehören nicht uns. Auch unsere Familien gehören nicht uns. Einmal sprach Sjako von «meinen Kindern daheim in Batavia». Er hat sie gezeugt, ja. Aber für seine Herren gehören sie ihm nicht. Für seine Herren ist Sjako ein Hengst, der eine Stute begattet hat. Hier ist der Beweis: Als Sjako sich allzu laut darüber beklagte, dass er seine Familie seit vielen Jahren nicht gesehen hat, wurde er von Herrn Fischer und Herrn Gerritszoon furchtbar verprügelt. Seitdem hinkt Sjako. Und hält den Mund.
Einmal schlich sich eine Frage in meine Gedanken: Gehört mein Name mir? Ich meine nicht meinen Sklavennamen. Mein Sklavenname ändert sich nach Lust und Laune meiner Herren. Die acehnischen Sklavenhändler, die mich geraubt haben, nannten mich «Gerade Zähne». Der Niederländer, der mich auf dem Sklavenmarkt von Batavia kaufte, nannte mich «Washington». Er war ein schlechter Herr. Herr Yang gab mir den Namen «Yang Fen». Er brachte mir das Schneidern bei und gab mir dasselbe zu essen wie seinen Söhnen. Mein dritter Besitzer war Herr van Cleef. Er nannte mich «Weh», wegen eines Missverständnisses. Als er Herrn Yang - in geschwollenem Niederländisch - nach meinem Namen fragte, verstand der Chinese: «Wo kommt er her?», und er antwortete: «Von der Insel Weh.» Damit stand mein nächster Sklavenname fest. Aber ich bin froh über das Versehen. Auf Weh war ich kein Sklave. Auf Weh lebte ich bei meinem Volk.
Meinen richtigen Namen verrate ich niemandem, damit niemand ihn mir wegnehmen kann.
Die Antwort, glaube ich, ist: Ja - mein richtiger Name gehört mir.
Manchmal kommt mir noch ein Gedanke: Gehören meine Erinnerungen mir?
Die Erinnerung an meinen Bruder, als er tollkühn und geschmeidig vom Schildkrötenfelsen sprang ...
Die Erinnerung an den Taifun, der die Bäume wie Grashalme knickte, und an das tosende Meer ...
Die Erinnerungen an meine glückliche, erschöpfte Mutter, die ihr Neugeborenes in den Schlaf sang ...
Ja - so wie mein Name gehören meine Erinnerungen mir.
Ein anderes Mal kam mir dieser Gedanke: Gehört dieser Gedanke mir?
Die Antwort blieb im Dunkeln, und ich fragte Dr. Marinus’ Sklaven Eelattu.
Ja, antwortete Eelattu, meine Gedanken entstehen in meinem Geist, und deshalb gehören sie mir. Er sagte, dass auch mein Geist mir gehören kann, wenn ich es will. «Obwohl ich ein Sklave bin?», fragte ich. Ja, sagte Eelattu, wenn der Geist stark genug ist. Also schuf ich mir eine Gedankeninsel, wie Weh beschützt vom tiefen blauen Meer. Auf meiner Gedankeninsel gibt es weder stinkende Niederländer noch höhnisch grinsende Malaien oder Japaner.
Herr Fischer besitzt meinen Körper, aber mein Geist gehört ihm nicht. Das weiß ich, weil ich es ausprobiert habe. Wenn ich Herrn Fischer rasiere, stelle ich mir vor, dass ich ihm die Kehle durchschneide. Wenn mein Geist ihm gehören würde, könnte er meine bösen Gedanken sehen. Aber er bestraft mich nicht, sondern sitzt mit geschlossenen Augen da.
Manchmal ist es auch schwierig, wenn die Gedanken einem selbst gehören. Auf meiner Gedankeninsel bin ich frei wie jeder Niederländer. Ich esse Kapaune, Mangos und kandierte Pflaumen. Ich liege mit Herrn
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