Die Terroristen
Zentimeter über dem Fußboden.«
»War die Polizei da?«
Lachen. Dann antwortete die Stimme aus dem Auto: »Aber klar. Zwei uniformierte Intelligenzbestien standen daneben und kontrollierten, dass Arne und ich unsere Arbeit auch richtig machten. Die hätten lieber was für die Familie des Toten tun sollen. Die Frau schrie wie am Spieß, und die Kinder weinten. Jetzt haben wir jedenfalls den Wagen voll. Wenn also neue kommen, müsst ihr sie bis nach dem Essen aufheben. Aber kommt uns am liebsten mit frischen Kunden.«
Levallois blickte Heydt fragend an, der zuckte die Achseln. »Nichts von Interesse. Allenfalls soziologisch.«
»Wie setzen wir uns ab?«, wollte der Franzose wissen. »Was schlägst du vor?«
»Einzeln, wie üblich. Ich haue sofort ab. Auf dem gleichen Weg, auf dem ich gekommen bin.«
»Mmm. Ich muss wohl eine Zeit lang warten.«
Levallois schien erleichtert zu sein. Er hatte keine ausgeprägte Todessehnsucht und wusste, dass die Chancen, gefasst zu werden, um ein Vielfaches größer waren, wenn der Südafrikaner darauf bestanden hätte, in dem Fischerboot mitzufahren.
»Hast du Lust auf eine Partie Schach?«, fragte der Radiofachmann nach einer Weile. »Okay.«
Reinhard Heydt spielte die Marshall-Variante sizilianisch, ein geistreiches Spiel, vor langer Zeit von einem amerikanischen Kapitän erfunden, der später viele Großmeister seiner Zeit zu Verlierern machte, die im Großen und Ganzen nur noch vor Verwunderung Mund und Nase aufreißen konnten. Große Linien, rücksichtsloser Einsatz, beinahe ein wenig an die Weserübung erinnernd.
Der Nachteil ist, dass man einen guten Gegenspieler nur einmal überlistet. Dann schlägt der Betreffende in einem Analysebuch nach und lernt die richtigen Gegenzüge, die am Brett völlig unbegreiflich erscheinen.
Sie hatten keine Schachuhr, und der Franzose brauchte immer länger, um sich seine Züge zu überlegen, während er mit ansehen musste, wie seine Stellung zerfetzt und unhaltbar wurde, obwohl er eine Zeit lang über ein großes Übergewicht an Figuren verfügt hatte. Schließlich dachte Levallois anderthalb Stunden lang über einen Zug nach, obwohl Heydt wusste, dass die Lage seines Gegenspielers hoffnungslos war, und das schon seit längerer Zeit. Heydt ging in die Küche, kochte Tee und wusch sich danach sorgfältig Hände, Arme und Gesicht. Als er zurückkam, starrte der Franzose immer noch mit in die Hand gestütztem Kinn auf das Brett.
Zwei Züge später war er gezwungen, aufzugeben.
Sein Gesicht sah gekränkt aus, denn er war ein schlechter Verlierer, und außerdem lehrte die ULAG ihre Männer, niemals zu verlieren. Der einzige Verlust, der anerkannt wurde, war der des Lebens.
In ausweglosen Situationen sollte das von eigener Hand geschehen.
Levallois sagte dann beinahe den ganzen Nachmittag über kein einziges Wort. Er studierte seine technischen Bücher in bockigem Schweigen.
Der Polizeifunk fuhr fort, seine Mitteilungen auszustreuen.
Reinhard Heydt dachte, dass dies kein Land sei, in dem man längere Zeit leben könnte.
Aber offenbar würde er sich hier noch eine ganze Zeit lang aufhalten müssen, darum war es besser zu versuchen, sich einzugewöhnen.
Während die Japaner in dieser Nacht die Sprengladungen anbrachten, sowohl die, auf die sie alle hauptsächlich rechneten, als auch die beiden weniger entscheidenden, schlief Reinhard Heydt tief und traumlos.
Levallois lag lange Zeit wach und dachte über das Schachproblem nach. Wenn er wieder nach Kopenhagen kam, würde er sich ein gutes Theoriebuch kaufen, überlegte er.
Die beiden Japaner kamen gegen fünf Uhr morgens in die Wohnung in Södermalm zurück.
Von jetzt an würden auch sie längere Zeit nicht vor die Tür gehen. Sie hatten einen Konservenvorrat angelegt, der mehrere Wochen lang reichen sollte.
Auf dem Bett, in dem Heydt üblicherweise geschlafen hatte, lagen ihre Maschinenpistolen, geladen und schussbereit. Daneben gab es einen ganzen Stapel voller Reservemagazine.
In der Bahnhofshalle in Indien hatte der eine von ihnen es geschafft, drei ganze Magazine leerzuschießen.
Zwischen den Betten stand eine Holzkiste mit Handgranaten. Die Sprengladung, die für das eigene Ende vorgesehen war, trugen sie bei sich, selbst im Schlaf.
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F ür Martin Beck wurde es ein Mittwoch, den er so schnell nicht vergessen sollte. Er war diese Art von Arbeit nicht gewöhnt, die unzähligen Telefonanrufe und ständigen Gespräche mit Leuten auf den unterschiedlichsten Ebenen der
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