Die Tochter des Magiers
Roxanne nahm einen Cocktail vom Tablett eines
vorbeikommenden Kellners. »Ist das Ihre erste Reise auf der Yankee Princess ?«
»Auf diesem Schiff ja. Ansonsten habe ich schon einige
Kreuzfahrten hinter mir – in der Karibik, im Mittelmeer und so
weiter.« Sie hob eine schmale weiße Hand und spielte geistesabwesend
mit ihrem Ring. Das Blitzen und Funkeln der Diamanten, die den Saphir
umgaben, brachte Roxannes Blut regelrecht in Wallung – fast
wie ein langer, leidenschaftlicher Kuß.
»Wie nett.« Es kostete sie ziemliche Selbstbeherrschung, sich
nicht die Lippen zu lecken. »Ich hoffe, Sie genießen diese Kreuzfahrt
ebensosehr.«
»Ganz sicher. Ich war begeistert, als Sam vorschlug, auf diese
Weise unsere Flitterwochen zu verbringen.«
»Ach, Sie sind frisch verheiratet?« Da sie wußte, daß es ein
typisch weiblicher Blick war und niemand als ungewöhnlich auffallen
würde, musterte Roxanne Justines Verlobungsring, den ein Stein von gut
und gerne zehn Karat zierte, und den Ehering aus Platin, der mit
Diamanten besetzt war. Am liebsten hätte sie sie mit ihrer Lupe
untersucht. »Wie wundervoll. Gratuliere, Sam.«
»Danke. Ich würde gern deine Familie wiedersehen –
und Luke natürlich auch.«
»Du triffst sie ganz sicher noch. War nett, Sie
kennenzulernen, Justine. Viel Spaß auf Ihrer Kreuzfahrt.«
Lächelnd schlenderte sie davon. Endlich hatten sie ein
passendes Opfer gefunden.
Luke nutzte eine Pause, um in der Sauna
unter Deck seine Müdigkeit auszuschwitzen. Er hatte bestimmt nicht mehr
als fünf Stunden pro Nacht geschlafen, seit Roxanne in seine Kabine
marschiert war und mit wilder Entschlossenheit ihren Willen
durchgesetzt hatte. Er wollte sich beileibe nicht darüber beklagen.
Doch hier konnte er in Ruhe seinen Kopf klären und über das nachdenken,
was Roxanne ihm am Nachmittag erzählt hatte. Mr. und Mrs. Samuel Wyatt.
Von allen Kreuzfahrtschiffen auf der ganzen Welt, dachte er
mit einer Grimasse, mußten sie sich ausgerechnet dieses aussuchen. Nun
ja. Roxanne war hellauf begeistert von der Idee, Braut und Bräutigam um
die Klunker der Dame zu erleichtern, aber er war etwas unsicher, ob sie
ein solches Risiko eingehen sollten.
Zumindest wollte er sich die Sache zuerst einmal sorgfältig
überlegen.
Als sich die Tür der Sauna öffnete, schaute Luke hoch, schloß
allerdings gleich wieder die Augen und blieb gegen die Wand gelehnt
sitzen.
»Hab schon gehört, daß du an Bord bist, Wyatt.«
»Na, verbringst du immer noch deine Zeit damit, Karnickel aus
deinem Arsch zu ziehen?« Sam machte es sich auf der Bank unter Lukes
Platz bequem. Ein paar diskrete Erkundigungen hatten genügt, um zu
erfahren, wo Luke seine freie Stunde verbrachte. »Und tanzt brav nach
der Pfeife des Alten?«
»Hast du je gelernt, wie man mit einer Hand anständig die
Karten mischt?«
»Ich habe schon vor einiger Zeit solche Spielereien
aufgegeben.«
Luke lächelte. »Die Wahrheit ist, daß du immer ungeschickte
Hände hattest – nur kleine Mädchen herumschubsen, das konntest
du gut.«
»Ich sehe, du bist nachtragend.« Sam rekelte sich auf der
Bank. Als Fitneß in Mode gekommen war, war er von Anfang an mit Eifer
dabeigewesen, und seinem Körper sah man die tägliche Übungsstunde mit
seinem privaten Trainer an.
Dank seiner Position – und jetzt auch dank des Geldes
seiner Frau – konnte er sich alles leisten, was für ein
gepflegtes Äußeres erforderlich war: die besten Friseure, regelmäßige
Maniküren und gezielte kosmetische Behandlungen. Er entsprach exakt dem
Image eines jungen, dynamischen Aufsteigers. Und nun verfügte er auch
noch über genügend Wohlstand.
»Merkwürdig«, fuhr er fort. »Roxanne offenbar nicht. Sie
war … sehr freundlich zu mir.«
Im Gegensatz zu früher blieb Luke ganz ruhig. Er war lediglich
amüsiert. »Mein Guter, sie würde dich am liebsten glatt in der Luft
zerfetzen.«
»Wirklich?« Sam verkrampfte sich unwillkürlich. »Ich könnte
mir eher denken, sie würde ziemlich schnell entdecken, daß ich weit
besser zu ihr passe. Eine Frau wie sie wüßte einen kultivierten Mann
von Welt in angesehener Position sicher zu schätzen – eher als
einen, dem es nie so recht gelungen ist, seine rauhen Kanten
abzuschleifen. Du bist immer noch ein Versager, Callahan.«
»Ich bin immer noch so manches.« Luke öffnete die Augen und
musterte Sams Gesicht. »Gute Arbeit, deine Nase. Niemand käme auf die
Idee, daß sie mal gebrochen war.« Er rekelte sich genüßlich und
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