Die Tochter des Magiers
sehen,
wenn du ihn anschaust?« Tränen liefen ihr über die Wangen, aber sie
preßte die Lippen zusammen, um nicht zu schluchzen.
»Es tut mir leid, daß es so schwer für dich ist«, sagte Luke
steif. »Wahrscheinlich darf ich dich nicht mal dafür verurteilen, daß
du mich dadurch bestrafst, indem du mich nicht sein Vater sein läßt.«
»Ich will dich nicht bestrafen.« Es fiel ihr schwer,
weiterzureden. »Vielleicht doch, ich bin selbst nicht sicher, und das
macht alles noch komplizierter. Ich habe mich bemüht, das zu tun, was
richtig ist, was am besten ist, und dann sehe ich euch beide zusammen
und muß erkennen, wie unendlich viel Zeit uns verlorengegangen ist. Ja,
es tut mir weh, dich mit ihm zu sehen, aber anders, als du glaubst. Es
tut weh, so wie es weh tut, einen Sonnenaufgang zu sehen oder
sentimentale Musik zu hören. Er hält den Kopf genau wie du.« Wütend
wischte sie sich die Tränen weg. »Das hat er schon immer gemacht, und
es hat mir jedesmal einen Stich versetzt. Er hat dein Lächeln und deine
Augen und deine Hände, nur viel kleiner. Ich habe sie immer angeschaut,
wenn er schlief, die Finger gezählt und Mitleid gehabt mit dir, weil du
das alles nicht sehen konntest.«
»Rox.« Er hatte geglaubt, sie hätten das Schlimmste hinter
sich gebracht, in jener Nacht, als er ihr alles erzählt hatte. »Es tut
mir leid.« Er wollte sie an sich ziehen, aber sie wandte sich ab.
»Ich habe nie um dich geweint. Nicht ein einziges Mal in all
den fünf Jahren – aus reinem Stolz. Es hat mir geholfen, die
schlimmste Zeit zu überstehen. Ich habe auch nicht geweint, als du
zurückkamst oder als du mir erzählt hast, was passiert war, obwohl ich
mit dir gefühlt habe, wie furchtbar es für dich gewesen sein muß. Aber,
verdammt noch mal, es war falsch!«
Wütend funkelte sie ihn an. »Du hättest heimkommen sollen. Du
hättest zu mir kommen und mir alles erzählen sollen. Ich wäre mit dir
gegangen, ganz egal, wohin.«
»Ich weiß.« Er wagte es kaum, sie anzurühren, auch wenn er es
sich noch so sehr wünschte. Sie wirkte plötzlich so zerbrechlich. »Ich
habe es gewußt und wäre auch fast zurückgekommen. Ich hätte dich
mitnehmen können, ohne Rücksicht auf deine Familie, auf deinen Vater.
Ich hätte mich nicht darum kümmern müssen, daß er krank war, daß ich in
seiner Schuld stand und ihm und Lily alles verdankte. Ich hätte das
Risiko eingehen können, daß Wyatt jederzeit die Polizei auf mich hetzt
und mich als Mörder verhaften läßt. Aber ich konnte es nicht.«
»Ich habe dich gebraucht.« Sie konnte die Tränen nicht länger
zurückhalten und schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich habe dich so
sehr gebraucht.«
Es endlich zuzugeben, fiel ihr fast genauso schwer wie ständig
ihre Gefühle unterdrücken zu müssen. Haltlos weinte sie und wehrte sich
nicht, als er sie auf die Arme hob und zum Bett trug.
Es blieb ihm nichts, als sie an sich zu drücken, während die
Trauer, die sich fünf Jahre in ihr aufgestaut hatte, aus ihr
herausbrach. Womit hätte er sie auch trösten können? Er kannte sie seit
fast zwanzig Jahren und konnte an einer Hand abzählen, wann er sie
jemals weinen gesehen hatte.
Und noch nie so heftig wie jetzt, dachte er. Noch nie.
Sie hatte Angst, daß sie nie mehr würde aufhören können. Sie
hörte nicht, wie die Tür sich öffnete. Sie merkte nicht, daß Luke sich
umwandte und stumm den Kopf schüttelte, als Lily hereinschaute.
Nur ganz langsam wurde das wilde Schluchzen leiser, und der
heftige Krampf ließ nach.
»Ich muß allein sein«, flüsterte sie. Ihre Kehle war
vollkommen trocken.
»Nein. Das nicht. Nie wieder, Roxanne.«
Sie fühlte sich zu erschöpft, um zu protestieren. Mit einem
unsicheren Seufzen lehnte sie den Kopf an seine Schulter. »Ich hasse
das.«
»Das weiß ich.« Er drückte einen Kuß auf ihre Schläfe.
»Erinnerst du dich noch an damals, als du herausgefunden hattest, daß
Sam dich für seine Diebstähle mißbraucht hatte? Da hast du auch
geweint, und ich wußte nicht, was ich machen sollte.«
»Du hast mich im Arm gehalten.« Sie schniefte. »Und dann hast
du ihm die Nase gebrochen.«
»Ja. Und diesmal breche ich ihm nicht nur die Nase.« Sein
Blick wurde grimmig. »Das verspreche ich dir.«
Aber an Sam wollte sie jetzt am allerwenigsten denken. Sie
fühlte sich völlig zerschlagen und gleichzeitig merkwürdig befreit.
»Weißt du, daß es leichter war, mit dir zu schlafen als dich jetzt bei
mir bleiben zu lassen?« Sie schloß
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