Die Tortenbäckerin
auszudenken, was dann über unsere Familie hereinbräche.«
Christoph nickte. Er hatte selbst schon über das Problem nachgedacht, aber keine Lösung gefunden.
»Woher kanntest du überhaupt so ein Pack?«
»Hans Kröger hat eine Zeitlang bei uns im Stall gearbeitet«, erklärte er.
»Verstehe. Jemand muss sich um diese Leute kümmern, jemand, der vertrauenswürdig ist, um die Angelegenheit dezent aus der Welt zu schaffen.«
»Mutter! Du denkst doch hoffentlich nicht an â¦Â«
Freia Hansen wirkte amüsiert. »Du hältst mich für fähig, einen Mord in Auftrag zu geben? Ich fühle mich geschmeichelt, mein Sohn.«
Christoph schwieg.
»Ich dachte eher an eine weite Reise«, sagte seine Mutter. »Der Gatte einer lieben Freundin arbeitet in der Auswanderungsbehörde. Ich werde ihn bitten, die Krögers mit Papieren und einem Billett für das Zwischendeck auf einem Schiff nach Ãbersee auszustatten. Dann sind sie weitgenug weg und können in Amerika ein neues Leben beginnen.«
Mutter und Sohn ahnten, dass Menschen, die so heruntergekommen waren wie die Krögers, auch in der Neuen Welt untergehen würden. Sie würden vermutlich in den Gossen von New York oder Chicago landen. Dennoch bekamen sie mehr, als sie verdient hatten, fand Christoph: die Möglichkeit für eine Zukunft.
»Bleibt die Frage«, fügte Freia Hansen hinzu, »wie wir die Leute überreden können, wirklich zu fahren. Wir können sie ja kaum mit Gewalt aufs Schiff schleppen lassen.«
Darüber dachte Christoph eine Weile nach. SchlieÃlich meinte er: »Warum eigentlich nicht?«
»Weil wir keine Kriminellen sind«, erwiderte Freia. Die Empörung in ihrer Stimme war jedoch nicht echt.
Christoph erinnerte sich an ein paar Bekanntschaften, die er im Hafenviertel St. Pauli gemacht hatte, als er noch mit seinen Freunden durch die StraÃen gezogen war. Besonders dachte er an einen Mann, den alle nur »Bär« nannten. Zu Recht, wie Christoph einmal feststellte, als Bär und seine Kumpane ein paar randalierende Engländer kurzerhand aus der Spelunke warfen, in der auch die Freunde aus Harvestehude gelandet waren. Die fünf groÃspurigen englischen Gentlemen waren ausgesprochen kleinlaut geworden, als Bär zwei von ihnen am Revers packte. Und sie brauchten keine weitere Aufforderung von dem riesenhaften Mann. So schnell sie konnten, verschwanden sie â unter dem Gegröle der übrigen Kneipenbesucher.
»Ich denke«, sagte Christoph, »ich kenne da jemanden, der uns gegen eine entsprechende Belohnung helfenkönnte. Wenn du Jonas zu mir rufen lässt, wird er alles in die Wege leiten.«
Jonas Quandt war sein bester Freund und für viele Jahre sein Kumpel auf den nächtlichen Streifzügen gewesen. Er hatte Christoph schon ein paarmal einen Krankenbesuch abgestattet, und Christoph wusste, er konnte sich auf ihn verlassen.
Freia schien zufrieden mit der Lösung.
»Und nun erzähl mir von Afrika. Hast du wirklich eine Liebste dort? Und ist sie tatsächlich eine ⦠Negerin, wie dein Bruder Friedrich behauptet?«
Christoph spürte, wie ihm erneut heià wurde, und diesmal lag es nicht am Fieber.
Alles war so schnell gegangen, dass Greta sich immer noch ganz schwindelig fühlte. Die Ankunft vor dem dunkelroten Backsteingebäude der Augenklinik. Das kurze Gespräch mit einer Krankenschwester im Warteraum, Leni, die an der Hand dieser Schwester fortging.
»Kann ich nicht mitkommen?«, hatte Greta gefleht. »Sie ist noch so klein.«
»Ich werde nächste Woche aber sechs«, hatte Leni eingeworfen. Sie schien überhaupt keine Angst zu haben.
Die Schwester hatte sich noch einmal umgedreht. »Sind Sie die Mutter?« Als sie keine Antwort bekam, verschwand sie mit dem Kind.
Nun saÃen sie bedrückt im Warteraum. Greta, Siggo, Gerlinde, Mathilde und Oliver. Greta gab sich Mühe, nichtdie anderen Patienten anzustarren. Oliver hatte da weniger Hemmungen. Er musterte die Leute mit ihren verschiedenen Verbänden genau, und einen alten Mann, der eine dicke Binde um beide Augen trug, sprach er sogar an.
»Entschuldigen Sie, mein Herr«, begann er und ignorierte den empörten Blick der Begleiterin des Mannes. Sie war vornehm gekleidet und hatte über die Neuankömmlinge bei deren Eintreten die Nase gerümpft.
»Wer spricht da mit mir?«
»Nur
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