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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Wohnzimmer. Es hatte ein paar
    bescheidene Möbel, einen Flickenteppich auf dem Fichtenholzbo‐
    den, einen runden Tisch an der einen Wand und zwei Stühle davor.

    ∗ Präsident von 1885 bis 89 und 1893 bis 97

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    Durch eine offene Tür sah man die Ecke eines großen schwarzen Küchenherds.
    Patton nickte, und seine Augen betrachteten mich ohne Groll. »Ich
    hab ein Auto kommen hören. Ich wußte, daß es hierher kommen
    mußte. Sie haben’s ganz geschickt angestellt. Ich hab Sie ums Ver-recken nicht kommen hören. Ich war schon reichlich neugierig auf Sie, mein Sohn.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich Sie ›mein Sohn‹ nenne«, sag‐
    te er. »Ich sollte nicht so vertraut tun, aber ich hab nun mal diese blöde Angewohnheit und kann sie schlecht abschütteln. Jeder, der keinen langen weißen Bart und keine sichtbare Arterienverkalkung
    hat, ist ›mein Sohn‹ für mich.«
    Ich sagte, er könne mich nennen, wie’s ihm grad einfalle. Ich sei da
    nicht empfindlich.
    Er grinste. »Es stehn ’ne Menge Detektive im Telefonbuch von L.
    A. Aber nur einer, der Marlowe heißt.«
    »Warum haben Sie überhaupt gesucht?«
    »Sagen wir aus häßlicher Neugier. Hinzu kommt, daß Bill Chess
    mir sagte, daß sie ’ne Art Spitzel wären. Sie selbst haben sich ja nicht die Mühe gemacht, es mir zu sagen.«
    »Das wäre schon noch gekommen«, sagte ich. »Tut mir leid, daß Sie die Mühe damit hatten.«
    »Gar keine Mühe. Mir macht so schnell nichts Mühe. Haben Sie ir‐
    gendwelche Papiere bei sich?«
    Ich zog meine Brieftasche heraus und gab ihm dies und das.
    »Sie sind für Ihre Arbeit ganz gut ausgerüstet«, sagte er. »Und Ihr
    Gesicht sieht nicht gerade sehr mitteilungsbedürftig aus. Ich vermu‐
    te, Sie hatten vor, die Hütte zu durchsuchen.«
    »Ja.«
    »Ich habe selbst schon ein bißchen hier herumgestöbert. Gleich als
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    ich zurück war, fuhr ich wieder hierher. Das heißt, ich war ’ne Mi‐
    nute in meiner Bude und dann wieder hier. Aber ich kann mir
    schlecht vorstellen, daß ich Ihnen erlauben kann, das Haus hier zu durchsuchen.« Er kratzte sich am Ohr. »Ganz schön blöd, daß ich nicht weiß, ob ich’s Ihnen erlauben kann oder nicht. Haben Sie mir
    schon erzählt, für wen Sie arbeiten?«
    »Für Derace Kingsley. Um seine Frau zu finden. Sie ist ihm vor etwa einem Monat durchgebrannt. Hier hat das angefangen. Deshalb fange ich auch hier an. Vermutlich ist sie mit einem Mann fort.
    Der Mann streitet das ab. Ich dachte, vielleicht finde ich hier etwas,
    das mir weiterhilft.«
    »Und haben Sie was gefunden?«
    »Nein. Sie ist höchstwahrscheinlich nach San Bernardino abgehau‐
    en und dann nach El Paso. Dort endet die Spur. Aber ich habe ja eben erst angefangen.«
    Patton erhob sich und schloß die Haustür auf. Der würzige Ge‐
    ruch der Fichten drang herein. Er spuckte nach draußen, setzte sich
    wieder hin, nahm den Stetson ab und kratzte sich das mausgraue Haar, das sein Hut bisher bedeckt hatte. Ohne Hut sah sein Kopf seltsam ergänzungsbedürftig aus, wie das bei Leuten oft der Fall ist,
    die so gut wie nie den Hut absetzen.
    »Und für Bill Chess interessieren Sie sich überhaupt nicht?«
    »Absolut nicht.«
    »Vermutlich machen Leute Ihres Schlages einen Haufen Schei‐
    dungssachen«, sagte er. »Bißchen anrüchig, so ’ne Arbeit. Meiner Meinung nach.«
    Ich ließ ihn dabei.
    »Kingsley hatte nichts mit der Polizei im Sinn, um seine Frau zu finden. Hab ich recht?«
    »So ziemlich«, sagte ich. »Er kennt seine Frau zu gut.«
    »Nichts von dem, was Sie mir erzählt haben, erklärt auch nur im
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    geringsten, was Sie hier in Bills Haus suchen«, sagte er mit ruhiger
    Bestimmtheit.
    »Ich bin einfach groß darin, meine Nase überall reinzustecken.«
    »Mein Gott, was Dümmeres fällt Ihnen nicht ein?«
    »Sagen wir einfach, daß ich dann eben doch an Bill Chess interes‐
    siert bin. Aber nur, weil er in der Klemme steckt und weil er eher ein
    klinischer Fall ist. Obwohl er ein ziemlicher Dreckskerl ist. Wenn er
    seine Frau umgebracht hat, müßte es hier Hinweise dafür geben.
    Wenn nicht, müßten auch dafür Hinweise existieren.«
    Er neigte seinen Kopf zur Seite wie ein aufmerksamer Vogel. »Was
    für Hinweise zum Beispiel?«
    »Kleider, persönliche Schmucksachen, Toilettenartikel. All das
    Zeug, das eine Frau mitnimmt, wenn sie abhaut und nicht die Absicht hat zurückzukommen.«
    Er lehnte sich langsam zurück: »Aber sie ist nicht abgehauen,

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