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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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gegangen.«
    »Aber Hirsche hatte Seeliger auch, oder?«
    Mendelstein sah ihm misstrauisch in die Augen. Zbigniew begriff, warum – er fragte sich, ob Zbigniew diese Dinge alle schon wusste, ihn bloß ausfragte.
    »Ja. Aber sie haben ihm alles weggenommen, 1939, glaube ich … Sie müssen unterscheiden, die ›entartete Kunst‹, da waren alle machtlos. Sogar die arischen Anhänger des Expressionismus. Hat sich ja irgendwann niemand mehr getraut zu sagen, dass er das gut fand. Der Führer selbst ordnete an, was Kunst ist und was nicht. Und dann wurde sein Geschmack mit einer straffen Organisation durchgeführt . Mit der Folge der Eliminierung der modernen Kunst aus dem öffentlichen Leben. In allerkürzester Zeit.«
    »Und Feininger gehörte auch dazu.«
    »Ja, natürlich gehörte er dazu.«
    »Was war so ein Bild damals wert?«
    »Ich habe keine Ahnung, da müssen Sie einen Kunsthistoriker fragen.«
    »Sie sagten, wir müssen unterscheiden … Wovon?«
    »Na, von den Bildern, die nicht ›entartet‹ waren … die zu den vom Regime anerkannten Kunstgegenständen gehörten, die bloß den Juden weggenommen wurden. Wie alles andere auch. Bevor sie emigriert sind oder später in die Konzentrationslager geschickt wurden.«
    »Aber wie kann es sein, dass ein vernichtetes Bild wieder auftaucht?«
    Mendelstein lächelte.
    »Das wäre nicht das erste Mal in der Nachkriegszeit. Bilder waren natürlich beliebt als Wertgegenstand. Viele der Nazi-Oberen haben sich die Bilder an Land gezogen, manchmal sogar nach der NS -Rechtsprechung auf illegale Weise. ›Entartete Kunst‹ wurde bei Galeristen im Ausland gegen andere Bilder eingetauscht, die den Nazis gefielen. Und die anderen haben sie behalten. Da tauchen bis heute immer wieder Bilder auf, die noch in irgendwelchen Safes lagern. In der Schweiz sind vor ein paar Jahren noch einige aufgetaucht. Ach, es passiert andauernd.«
    Zbigniew war, während Mendelstein sprach, ein Gedanke in den Kopf gekommen.
    »Kann es sein, dass im Bankhaus Stürmer bzw. Immermann, wie es damals hieß, Bilder gelagert waren?«
    »Sein kann so etwas natürlich«, sagte Mendelstein. »Wenn es dort einen bombensicheren Tiefkeller gab? Ansonsten wäre das in Köln keine gute Idee gewesen.«
    EswarenAktenindemSchließfachgewesen,keineBilder.Aufdem Überwachungsvideo waren eindeutig Akten zu erkennen gewesen.
    Mendelstein musterte ihn kritisch. Sah er so angestrengt aus?
    Er war angestrengt.
    »Wonach suchen Sie? Sagen Sie mir, wonach Sie suchen.«
    Das Bankschließfach, Zbigniew hatte es fast vergessen.
    »Ich weiß es noch nicht genau. Aber ich muss irgendwie ein Bankschließfach beim Bankhaus Stürmer in Verbindung bringen mit Gideon Weissberg und dem Feininger und mit Seeliger und mit diesem Verein.«
    »Immermann war nicht in dem Verein, da bin ich mir sicher. Aber keine Ahnung, ob die noch irgendwie zusammenhingen. Und viel mehr über Seeliger weiß ich leider auch nicht.«
    Zbigniew nickte.
    »Ich danke Ihnen, Sie haben mir sehr geholfen. Gibt es eigentlich überlebende Nachfahren?«
    »Nein. Die gesamte Familie wurde von den Nazis ausgerottet. Das ist ja auch ein Grund, warum man verhältnismäßig wenig darüber weiß. Seeliger hatte Deutschland immer geliebt und gedacht, dass das Volk im Herzen viel zu rechtschaffen sei, als dass es die Dinge tun könnte, von denen man munkelte. Deshalb blieb er hier, hat alles verloren. Alles.«
    Zbigniew hatte einen Kloß im Hals.
    »Ich muss noch mehr über ihn herausbekommen. Und über das Feininger-Bild. Und über ›entartete Kunst‹ im Allgemeinen.«
    Mendelstein lächelte.
    »Sie befinden sich in einer der bestsortierten Bibliotheken über diese Zeit. Warten Sie, ich werde Ihnen ein paar Bücher über ›entartete Kunst‹ in Köln herausholen. Und alles, was Sie brauchen.«
    Zbigniew nickte dankbar; Mendelstein verschwand in den Gängen. Bald kam er zurück, legte ihm ein Buch hin. »Geschichte der Raubkunst in Köln«. Er begann zu blättern, sein Blick blieb bei einem Reprint eines expressionistischen Gemäldes hängen.
    Er begann zu lesen. Zunächst blätterte er ungeordnet in den Büchern, hier und dort. Mendelstein legte alle paar Minuten ein neues Buch auf den Stapel neben ihm, der beständig wuchs.
    Bald begriff er, dass es ein neues Fass war, ein Fass ohne Boden. Eine Vielzahl von ungeheuerlichen Taten, die sich damals ereignet hatten. Eine Welt, von der Zbigniew bislang nicht viel gewusst hatte, über die er sich kaum jemals Gedanken gemacht

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