Die tote Schwester - Kriminalroman
oben im Tresorraum an der Wache vorbeigegangen, haben ihr zugelächelt, sind dann über den Hof und an der Pförtnerloge vorbei. Kann man sich so etwas vorstellen?«
Zbigniew zuckte die Achseln. Er konnte sich alles vorstellen.
»Aber da vorn muss es doch Überwachungskameras geben.«
»Die gibt es«, lächelte Zeynel.
Sein ehemaliger Kollege stieß eine Tür auf zu einem kleinen Kabuff, das Zbigniews Frage beantwortete. Ein Raum mit einigen Monitoren, in den nun zu viele Menschen hineingequetscht waren – Zbigniew erkannte einige Beamte der Ermittlungskommission wieder, auch Edwin, der an einem Steuerpult herumdrehte.
Er fragte sich, warum Dieter Weber eigentlich hier war, immerhin war er doch nicht in die Ermittlungskommission aufgenommen worden.
»Sieh selbst«, sagte Zeynel und nickte Edwin zu.
»Hallo. Von Anfang?«, fragte der.
»Ja.«
Zbigniew starrte auf die Monitore. Die Eingangshalle der Bank, die besetzte Pförtnerloge, in krisseligem Schwarzweiß. Die Überwachungsanlage arbeitete noch mit VHS -Bändern und schien ebenso aus einer anderen Zeit zu stammen wie die gesamte Bank.
Ein Mann und eine Frau betraten das Foyer. Man sah sie nur von hinten, wie sie sich an den Pförtner wandten. Eine Zeit lang standen sie dann herum.
»Hier kannst du etwas vorspulen«, sagte Zeynel.
Edwin fuhr die Aufzeichnung um etwa eine Minute nach vorne; der Mann und die Frau hampelten ein wenig herum, warteten offenbar. Aber noch immer war kein Gesicht zu sehen.
Zbigniew beschlich ein ganz schlechtes Gefühl. Es war die Art des Gangs gewesen, als sie hereingekommen waren, vielleicht die Statur.
»Gibt’s da keine Kamera von der anderen Seite?«, fragte Zbigniew ungeduldig.
»Warte doch ab.«
Ein älterer Mann im Anzug kam auf das Paar zu, das sich nun ihm zuwandte. Sie schüttelten sich die Hände.
Ein eisiger Schauder überfiel Zbigniew.
Er sah Lena.
Die Frau war Lena.
Blut schoss ihm in den Kopf.
»Zbigniew?«
Sie hatten ihm ein Wasser gereicht, Dieter Weber klopfte ihm auf den Rücken.
»Drei Minuten«, sagte Edwin.
»Drei Minuten?«
»Du warst drei Minuten ohnmächtig«, konkretisierte Zeynel.
Zbigniew wischte sich die Stirn ab. Er, ohnmächtig? Das war nicht möglich.
Er blickte durch die besorgten Gesichter um ihn herum auf die Monitore über ihm. Das VHS -Standbild von Lena und einem Mann, den er nicht kannte.
»Ganz ruhig atmen«, sagte Edwin. »Weißt du deinen Namen?«
»Ja, leider.«
»Wie ist der Name deiner Mutter?«
»Das geht euch nichts an.«
Zeynel grinste erleichtert.
»Wann bist du geboren?«
»Am 23. Mai viele Jahre vor dir.«
»Na gut.«
Lena hatte die Bank überfallen.
Lena war am Leben. Ihr ging es dem Augenschein nach gut.
Lena war am Leben.
Sie überfiel bloß Banken.
»Ich will das weitersehen«, sagte Zbigniew. Es war das Einzige, was ihn interessierte.
Zeynel nickte, Edwin drückte auf Play.
Lena, der unbekannte Mann und der Bankangestellte gingen aus dem Bild heraus.
»So, das war es hier erst mal, jetzt haben wir eine Anschlussaufzeichnung aus dem Tresorraum, dreißig Sekunden später, da rechts oben.«
Zbigniew blickte auf einen anderen Monitor. Man sah den durch das Gitter getrennten Hauptraum des Tresorhauses.
»Das haben wir jetzt auch von beiden Seiten. Aber die andere Seite bringt auch nichts anderes.«
Edwin ließ das Band laufen, es war lediglich zu sehen, wie Lena und der unbekannte Mann dem Bankangestellten folgten. Im Tresorraum stand ein Sicherheitsbeamter, der den dreien zunickte. Freundlich, soweit man es auf dem Band erkennen konnte. Der Sicherheitsbeamte blieb an seiner Stelle, die drei anderen verschwanden in den Keller mit den Schließfächern.
»So, dann geht’s nach einigen Minuten folgendermaßen weiter … «
Edwin spulte das Band vor, der Sicherheitsbeamte wackelte ein wenig herum. Dann kamen Lena und der unbekannte Mann wieder die Treppe hoch. Beide schienen nun eine Akte unter dem Arm zu tragen. Sie gingen freundlich nickend am Beamten vorbei.
Der Sicherheitsbeamte stand einige Minuten lang an der Stelle. Dann rief er offenbar etwas nach unten. Schließlich, nachdem er wohl keine Antwort bekam, ging er die Treppe hinab.
»Er findet dann unten den Bankangestellten, niedergeschlagen. Leistet erste Hilfe, geht dann hoch und funkt die Pforte an. Das passiert ungefähr vier Minuten, nachdem … «
Edwin ließ wieder den anderen Player auf dem anderen Monitor laufen, spulte ihn vor bis zu der Stelle, wo Lena und der Mann wieder
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