Die tote Schwester - Kriminalroman
Schwiegermutter wurde hier geboren?«
»Warten Sie mal, ich hol mal meine Frau.«
Der Mann ging zur Scheune, rief etwas hinein. Nach einiger Zeit kam eine gleichaltrige Frau heraus, mit markanten, härteren Zügen. Sie trug ein Kopftuch und hielt eine Mistgabel in der Hand, die sie an die Scheunentür stellte.
Echte Bauern, dachte Zbigniew. Und das einen Steinwurf von Köln entfernt.
Fremde Welten, von denen man als Städter nichts ahnte.
DasPaarwechseltedieGummistiefelgegenHausschuheundludZbigniewundToniaindieStubedesgemütlicheingerichtetenBauernhausesein.ZbigniewhattebeieinpaarDurchgängenzwischendenRäumenAngst,mitdemKopfandieTürrahmenzustoßen.InderStubegabesTee;dieBäuerin – dieTochtervonKatharinaEsser – erzähltebereitwillig.IhreMutterwar1943hiergeborenworden,eineschwereZeit,vorallemauchindenhartenWintern1946und1947.DerHofhattedenKriegunbeschadetüberstanden,nachderKapitulationwurdenvondenAlliiertenhiervieleandereMenscheneinquartiert,daindenStädtenderWohnraumknappwarundvieleFlüchtlingeausdemOstenindenWestendrängten.DieMutterheiratete,bekamsieundeineweitereTochter,dieinzwischeninMünchenlebte.VorsiebenJahrenstarbdannderVater,derMutterwurdederHofzugroß,undstattihnzuverkaufen,beschlossendieTochtervonKatharinaEsserundihrMann,denbäuerlichenBetriebweiterzuführen.Wassiebisheutenichtbereuthatten.
»Die Eltern Ihrer Mutter leben vermutlich nicht mehr?«, fragte Zbigniew.
»Nein, leider nicht. Sie sind in den Neunzigern gestorben.«
»Gibt es irgendwelche Hinweise, dass es vielleicht jüdische Wurzeln der Familie geben könnte?«
Zbigniew spürte einen seltsamen Blick des Manns aus dem Hintergrund.
»Nein.«
Die Bäuerin antwortete schnell und ehrlich. Zbigniew fragte sich, was seine Frage eigentlich sollte. Wenn Eva Weissberg hier in eine arische Familie gebracht worden war, würde sie nichts über ihre wahren Wurzeln wissen. Und wenn auch die Großeltern immer geschwiegen hatten über den anderweitig geborenen Familienzuwachs, dann würde niemals irgendjemand etwas erfahren.
Auch er selbst nicht.
Niemand jemals.
Fotos.
Gab es Fotos, direkt von der Geburt, direkt danach?
»Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass die Eltern Ihrer Mutter nicht ihre leiblichen Eltern waren?«
»Nein. Wieso, wie kommen Sie auf so etwas?«
Zbigniew sah ein wenig Ärger im Gesicht der Bäuerin. Er stufte ihn als normal ein; niemand würde gern so eine Frage gestellt bekommen. Und wenn er ihr jetzt nicht vernünftig antwortete, dann würde sie vermutlich noch jahrelang darüber grübeln, ob ihre Mutter eine andere Herkunft hatte als vermutet.
Er beschloss, ihr ein Stück von der Wahrheit zu erzählen.
»Wir suchen nach einem Kind, das 1943 in dieser Region dauerhaft auf einen Hof gebracht wurde. Sie sind nur eine von vielen Personen, die wir in diesem Zusammenhang befragen.«
Zbigniew sah, wie die Frau sich beruhigte.
»Gibt es Fotos von damals?«, fragte er.
»Wenig. Wenn, dann hat die meine Mutter.«
»Könnten wir ihre Adresse haben?«
Die Frau schrieb sie ihm auf. Sie erhoben sich.
»Dann bedanke ich mich herzlich bei Ihnen«, sagte Zbigniew.
Die Frau brachte ihn und Tonia zur Tür, der Mann folgte. Zbigniew verabschiedete sich höflich. Er spürte, wie der Mann ihnen misstrauisch nachschaute.
Sie stiegen wieder in den Wagen und fuhren ein Stück weit den Weg zurück zur Landstraße. Zbigniew schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Fast erschrak er über sich selbst; dieser unkontrollierte Ausbruch hatte nichts mit ihm zu tun.
»Was ist los?«, fragte Tonia.
»Das bringt irgendwie so alles nichts. Wenn die Leute selbst nicht wissen, wer sie sind, wie sollen sie uns dann etwas erzählen?«
Tonia nickte.
»Man müsste von einer ganz anderen Richtung kommen. Vielleicht gibt es einen Kinderfotograf. Ein alter Mann, der damals die Babys nach der Geburt fotografiert hat.«
»Und dann könnten die im Landeskriminalamt einen biometrischen Abgleich machen mit dem Gesicht von Samuel Weissberg. Sofern sich die beiden ähnlich sind.«
Zbigniew und Tonia sahen sich einen Moment lang an, sie war sich unsicher, ob er es ernst meinte.
Er musste grinsen.
»Das klingt nach einem hervorragenden Plan, oder?«
»Ich hoffe, du hast noch einen besseren.«
»Noch nicht.«
Sie bogen auf die Landstraße ein, die zurück nach Geyen führte.
»Ich hätte eine Idee«, sagte Tonia, als sie in das Dorf hineinfuhren.
Zbigniew hielt vor einer kleinen Burg, die mit einem Wassergraben umgeben war.
»Schieß
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