Die tote Schwester - Kriminalroman
hereingekommen wäre, hätte er die beiden Polizisten vermutlich für irr gehalten.
Der US -amerikanische Geheimdienst NSA – die National Security Agency – nahm sich durchaus heraus, Telefone oder Computer auszuspionieren, wenn die nationale Sicherheit des Landes in Gefahr schien. Es gab das Projekt »Echelon«, durch das alle Kommunikationswege überprüft und gefiltert wurden. Bestimmte Worte im Telefon- und E-Mail-Verkehr wurden automatisch erkannt und lösten damit einen Überwachungsvorgang aus.
Zbigniew war sich nicht sicher, ob Echelon nur ein Hirngespinst war oder eine tatsächliche Einrichtung, aber seitdem er davon gehört hatte, war er vorsichtig, Worte wie »Bombe« oder »Terror« in Telefonaten oder E-Mails zu benutzen, damit sich nicht die Geheimdienste in seine Kommunikation einklinkten.
Verschwörungstheorien.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Zeynel.
»Nichts. Aber ich bin mir nicht sicher, ob da nicht vielleicht doch etwas viel Größeres hintersteckt. Also, ich weiß nicht, ob die NSA es richtig trifft, aber du weißt, was ich meine. Und deshalb würde ich den Polizeischutz für Edina verstärken. Dauerhaft Beamte vor dem Hauseingang postieren.«
»Du wirst es nicht glauben, aber das habe ich gerade auch schon gedacht.«
»Dann sind wir uns ja einig«, lächelte Zbigniew.
»Wie früher, quasi«, grinste Zeynel.
Zbigniew nickte; ja, es war fast wie früher. Nur, dass Zeynel den Polizeiapparat nutzen konnte, Zbigniew nicht.
Ihm kam ein Gedanke in den Sinn.
»Wenn ihr wollt, dann könntet ihr mir noch einen ganz großen Gefallen tun. Ich bin da an etwas dran, und ich brauche es sehr schnell. Es wäre für mich allein aber eine Riesenrecherche.«
»Schieß los.«
»Ich suche ein Mädchen, das zwischen dem – na, sagen wir 10. und 20. Juni 1943 geboren ist. Irgendwo im Umkreis von Köln.«
Zeynel grinste.
»Soso.«
»Es ist wichtig.«
»Eva Weissberg? Die ist in Köln geboren.«
»Es ist grad etwas kompliziert, es zu erklären. Sie mag zwar hier geboren sein, wurde aber woanders gemeldet. Und nicht unter ihrem wirklichen Namen. Ich habe nur das Geburtsdatum. Hilfst du mir?«
»Ich muss mal schauen, ob es geht.«
Zeynel sah ihn an, nicht unfreundlich, und Zbigniew nickte. Eine bessere Antwort hatte er nicht erwartet.
»Und was machen wir eigentlich mit Lohengrin?«
»Ich hab keine Ahnung.«
Irgendeine Wagner-Oper, mehr wusste Zbigniew nicht. Er hatte sich nie besonders ausgekannt mit klassischer Musik.
Es war einfach nur ein Passwort, ohne Bedeutung.
»Immerhin scheint deine Lena noch zu leben und es geht ihr körperlich gut. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht, jetzt mal abgesehen von allem anderen.«
Zbigniew nickte.
»Rufst du mich morgen an, nach eurer neuen … Evaluation?«
»Ja«, sagte Zeynel, und diesmal glaubte Zbigniew ihm.
Zbigniew war nach der Heimkehr in seine Wohnung direkt in einen unruhigen Schlaf gesunken. Doch der Jetlag zeigte noch Wirkung; mitten in der Nacht war er wieder ein paar Stunden wach, las im Internet über das Passwort des Schließfachs nach. Lohengrin war im Wesentlichen das besagte Werk von Wagner, eine Lieblingsoper Hitlers. Es schien keine größere Bedeutung dahinter zu stehen.
Immerhin war es ein Name, der – falls die Bank zu jener Zeit geprüft wurde – unverdächtig und arisch erscheinen musste. Zbigniew konnte sich vorstellen, dass Gideon Weissberg ihn aus diesem Grund gewählt hatte.
Wenn ihm das Schließfach überhaupt gehört hatte.
Um zwei Uhr nachts schlief Zbigniew erneut ein und wurde erst morgens von einem Klingeln an der Haustür geweckt.
Tonia Lindner stapfte die Treppen hoch. Zbigniew war im Schlafanzug, er hatte eine von Tonia unabhängige morgendliche Erektion, es war ihm etwas unangenehm.
»Ich ziehe mir schnell was an«, sagte er und verschwand ins Badezimmer. Beim Bücken spürte er, dass seine Rückenschmerzen vom Vorabend – nach dem Aufstehen aus dem viel zu tiefen Ledersessel im Bankfoyer – irgendwie immer noch da waren. Er beschloss, am Abend ins Fitnessstudio zu gehen, wo er sich auf ärztlichen Rat hin vor einigen Monaten angemeldet hatte. Um die Muskulatur aufzubauen, damit sie dem Rücken mehr Halt gab.
So die Theorie.
Seinen Arzttermin hatte er auch verpasst.
Er durfte gar nicht daran denken. Es gab andere Dinge, die zurzeit vorgingen.
»Von alleine meldest du dich ja nicht«, entschuldigte sich Tonia für ihr frühes Kommen, als Zbigniew wieder aus dem Bad herauskam. »Timo ist
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