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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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sich, das spielt überhaupt keine Rolle. »Mal angenommen, es war nicht Ihr Exmann, der versucht hat, Ihnen eins auszuwischen. Können Sie sich einen anderen Grund für den Anruf vorstellen?«
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    »Ich dachte, das wäre klar«, sagte Joan Theresa und verkniff sich gerade noch: selbst für eine so superschlaue Anglistikprofessorin wie Sie. »Um Janet in Verruf zu bringen. Alle Welt sollte glauben, sie hätte was mit Frauen wie uns.«
    »Das scheint mir ziemlich weit hergeholt.«
    »Eigentlich nicht«, sagte Luellen. »Jemand rief die Campusaufsicht; sie fand heraus, wer ich bin, und einer der Typen sagte: ›Was tun Sie beide denn hier?‹ Janet verging fast vor Scham.«
    Joan Theresa sagte zu Kate: »Warum gehen wir nicht ein Stück spazieren? Ich hole Jocasta, und wir schnappen ein bißchen Luft.«
    Luellen schien sofort zu verstehen, daß die Einladung sie nicht einschloß.
    Während Kate bezahlte, verschwand Joan nach oben und holte Jocasta. Frau und Hund erwarteten sie draußen.
    »Wollen wir zum Harvard Square laufen?« sagte Joan. »Jocasta würde es Ihnen ewig danken.« Jocasta begrüßte Kate beiläufig. Offenbar witterte sie einen größeren Ausflug, und als sie merkte, daß es wirklich losging, machte sie einen Satz und lief dann geschäftig los, um sich den vielfältigen Geruchsgenüssen am Straßenrand hinzuge-ben.
    »Als ich Sie damals vor dem Laden traf, sind Sie da mit Jocasta den ganzen Weg bis zum Harvard Square gelaufen?« fragte Kate.
    »Nein. Wir haben ein Auto, das wir gemeinsam benutzen. Luellen nahm es an dem Abend, als sie – wie sie glaubte – einer Schwester zu Hilfe kam. Jocasta, du Luder, wenn du dem Yorkie zu nahe trittst, setzt’s was.« Kate sah, wie sich Jocastas aufgestellte Nacken-haare wieder senkten, als Joan sie am Halsband packte und an die Leine nahm.
    »Ich wollte Sie etwas fragen«, sagte Joan.
    »Nicht, ehe ich Sie etwas gefragt habe«, antwortete Kate. »Sie sind den ganzen Weg bis New York gefahren, um mich zu holen. Sie sagten, Janet wolle meine Hilfe. Woher wußten Sie das eigentlich?
    Und warum kümmerte es Sie, wenn es so war?«
    »Das habe ich Ihnen doch schon in New York gesagt.«
    »Aber woher konnten Luellen oder Sie wissen, daß Janet mich kannte, ganz zu schweigen davon, ob ihr daran lag, daß ich nach Harvard kam? Um die Wahrheit zu sagen: Hätte man mir nicht auch von anderer Seite zugeredet, wäre ich nicht gekommen. Die ganze Geschichte ergibt wenig Sinn.«
    Inzwischen hatten sie den Abschnitt der Hampshire Street er-73

    reicht, von dem das Elm-Viertel abgeht – nicht gerade die Gegend von Cambridge, die sich die Eltern der Harvard-Studenten ansehen, wenn sie ihre Sprößlinge besuchen. Überall Autowerkstätten und Kleinbetriebe und dazwischen verstreut einzelne Wohnhäuser – ein Gebiet ohne intakte Sozialstruktur, würden die Sozialarbeiter wohl sagen, dachte Kate, und genau so fühle ich mich hier: als Person ohne intakte Sozialstruktur.
    »Also gut«, sagte Joan Theresa. »Hier haben Sie die ganze Geschichte: Die Campusaufsicht fand die beiden und wollte nicht glauben, daß Janet Professorin war, aber solange sie sich nicht ganz sicher waren, wollten sie sie nicht behandeln, als sei sie Gottweißwas-füreine. Also nahmen sie die beiden mit in ihr Büro, und dann wurde erstmal viel telefoniert. Janets Kleider wurden allmählich trocken, ihr Kopf klarer, und ihr wurde wohl bewußt, daß das, was sie zu Luellen gesagt hatte, ziemlich mies war. Ich nehme an, es tat ihr leid.
    Jedenfalls sagte sie, das Ganze sei auch für sie ein entsetzlicher Schlamassel – die Einzelheiten weiß ich nicht –, und dann fiel Ihr Name, und zwar so, daß Luellen den Eindruck hatte, Sie wären eine Frau, die jede Lage meistert. Tja, und Luellen setzte sich in den Kopf, Sie müßten her und Janet aus der Klemme helfen – und dann könnten Sie oder Janet ihr helfen.«
    »Ihr helfen?«
    »Na, ehrlich gesagt, finde ich Luellens Hoffnung auch etwas abwegig. Trotzdem, der Versuch war einen Trip nach New York wert, zumal ich eine Mitfahrgelegenheit hatte und außerdem mein Bruder dort lebt, den ich sowieso einmal im Jahr besuche. Luellens Mann will die Kinder nicht, er hat sie seit Jahren nicht gesehen. Er setzt nur alles daran, daß sie sie nicht bekommt, und offenbar sind eine Menge Leute bereit, ihm dabei zu helfen, vor allem Leute, die ihre Fröm-migkeit neu entdeckt haben. Aber wenn so wohlanständige Leute wie Sie oder Janet zu Luellens Gunsten aussagen, dann würde

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