Die Tote
entweder zu Hause rum oder in der Spielhalle.«
Charlotte legte ihre Karte auf den Tisch, trank ihren Tee aus und stand auf.
»Frau Dölling, wir danken Ihnen für Ihre Hilfe. Falls Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich bitte an.«
Frau Dölling erhob sich ebenfalls und begleitete die beiden Beamtinnen mit kleinen Trippelschritten zur Tür.
»Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern«, sagte sie und strahlte Charlotte an. »Kommen Sie mich doch mal besuchen, wenn Sie Zeit haben. Würde mich freuen.«
Charlotte nickte, und die beiden verließen die alte Frau mit dem Gefühl, bald Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Sie machten sich wortlos auf den Weg nach Oberricklingen und parkten vor der Spielhalle.
Sie betraten den dunklen Vorraum, wo hinter Sicherheitsglas eine junge dunkelhaarige Frau saß, die ihnen misstrauisch entgegensah.
Charlotte zeigte ihren Ausweis, den die Frau mit unbewegter Miene musterte.
»Wir wollen uns nur umsehen, suchen einen Zeugen«, sagte Charlotte und ging in den angrenzenden Raum, der sie mit flackernden, bunten Lichtern, dem Brummen von hochgetunten Motoren, quietschenden Reifen, Glockengebimmel und allen möglichen Variationen von Knallen, Scheppern und Klirren willkommen hieß. Die Spielhalle war gut besucht. Männer jeder Altersgruppe versuchten sich an simulierten Rennstrecken, ballerten mit Schnellfeuerwaffen auf imaginäre Aliens oder fütterten Spielautomaten mit Münzen.
Charlotte sah sich um und war sich in dem Moment, als sie ihn sah, sicher, dass sie Janinas Vater gefunden hatte. Er saß völlig selbstvergessen auf einem Barhocker vor einem Spielautomaten. Der Mann war erschreckend mager, dünnes Haar fiel ihm auf die Schultern, die in einer schwarzen Kunstlederjacke steckten. Die hellen Turnschuhe waren fleckig, einer hatte vorn ein Loch.
Charlotte klopfte dem Mann auf die Schulter, was ihn erschreckt aufblicken ließ. Als er Charlottes Ausweis sah, verengten sich seine Augen.
»Können wir uns einen Moment unterhalten?« Charlotte sprach laut, um die Geräuschkulisse im Raum zu übertönen. Der Mann schien sich bedroht zu fühlen.
»Nein, können wir nicht«, schnauzte er und warf ein paar Münzen in den Automaten.
Charlotte warf Maren einen Blick zu und hielt dem Mann das Foto des toten Mädchens vor die Nase. Der warf zunächst einen kurzen Blick darauf und schob dann Charlottes Hand zur Seite.
»Was wollen Sie von mir? Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Ist das Ihre Tochter?«, schrie Charlotte und hätte dem Mann am liebsten seinen schmierigen Schädel eingehauen. Aber er wurde stutzig und wagte einen etwas längeren Blick auf das Bild. Dann nahm er Charlotte das Foto aus der Hand und stand von seinem Barhocker auf.
»Was soll das heißen?«, blaffte er sie an. »Was ist mit ihr?«
»Ist das Ihre Tochter Janina?«, grollte Charlotte. Sie war kurz davor, die Geduld zu verlieren.
»Ja, sieht so aus. Was ist mit ihr?«
»Kommen Sie mit!«, kommandierte Charlotte, packte denn Kerl am Arm und zog ihn hinter sich her. Er war wohl zu erstaunt, um Widerstand zu leisten.
»Also, ist das nun Ihre Tochter? Oder wollen Sie mir erzählen, Sie erkennen sie nicht?«
Der Mann betrachtete erneut das Bild. »Ja, sieht aus wie Janina. Haare sind’n bisschen dunkler als früher, aber sonst … Ist irgendwas mit ihr?«
»Allerdings«, sagte Charlotte, »Ihre Tochter wurde am Montag tot an der Kröpcke-Uhr gefunden, und seitdem versuchen wir, sie zu identifizieren! Wollen Sie ernsthaft behaupten, Sie haben davon nichts mitbekommen?«
»Genau das.«
Charlotte platzte der Kragen. Der Kerl war ja überhaupt nicht aus der Fassung zu bringen. Sie bemühte sich dennoch, ruhig zu bleiben.
»Kommen Sie bitte mit. Wir haben ein paar Fragen. Außerdem muss jemand Ihre Tochter identifizieren. Meinen Sie, Sie kriegen das hin?«
Heimann schluckte. »Ja … klar.«
Sie legten den Weg zur Rechtsmedizin schweigend zurück. Jeder hatte wohl genügend Stoff zum Nachdenken.
Der Anblick seiner toten Tochter ging aber dann doch nicht spurlos an Heimann vorbei. Auf dem Weg zur KFI saß er blass und still im Fond neben Maren, die ihn genau beobachtete.
In der Direktion angekommen, ließ Charlotte Heimann in ihr Büro bringen. Hohstedt war gerade zur Stelle und bekam den Auftrag, ihn nicht aus den Augen zu lassen.
Sie selbst ging in die Kantine, um sich ein Stück Schokoladenkuchen und einen Kaffee zu genehmigen. Vielleicht würde das ihre Aggressionen so weit herunterfahren, dass
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