Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
antwortete Vanja mit einem Tonfall, der hoffentlich verriet, dass sie dieses Thema nicht so sehr bedrückte, als dass sie es weiter vertiefen wollte.
    «Was ist denn mit ihm?»
    «Er wurde ja …», begann Vanja, unterbrach sich dann aber.
    Harriet wusste es gar nicht. Aber sie hatte das Gespräch damit begonnen, dass ihr etwas leidtat. Eine leise Unruhe begann, wie eine kleine Kugel in Vanjas Magen umherzuflitzen.
    «Nichts, ach gar nichts», sagte sie daher rasch. «Aber was wolltest du eigentlich sagen?»
    Erneutes Schweigen. Diesmal klang es anders. Nicht verwundert, sondern eher betreten, ein Schweigen, das entsteht, wenn man sich zusammennehmen muss, ehe man eine schlechte Nachricht überbringt. Die kleine Kugel wurde schnell größer.
    «Du wurdest nicht zur FBI-Ausbildung zugelassen.»
    Vom einen Moment auf den nächsten war die Kugel auf die Größe eines Fußballs angewachsen. Verdrängte die Luft aus den Lungen, nahm Vanja den Atem. Das konnte nicht wahr sein! Es konnte einfach nicht den Tatsachen entsprechen.
    «Bist du sicher?»
    Dumme Frage. Harriet war die Verantwortliche. Und es waren nicht mehr viele Bewerber übrig. Natürlich war sie sicher.
    «Ja, es tut mir wirklich schrecklich leid.»
    «Aber warum?», presste Vanja mühsam hervor. Vermutlich handelte es sich doch um einen Fehler. Wenn sie nur den Grund kannte, konnte sie alles korrigieren und richtigstellen. «Ich meine … es lief doch alles so gut.»
    «Håkan Persson Riddarstolpe», antwortete Harriet und machte eine Pause, damit Vanja verstand, wen sie meinte. Als ob das bei einem solchen Namen nötig wäre. Das Bild von dem Mann mit dem kleinen Schnurrbart, der ständig blinzelte und in einem unordentlichen Büro hauste, tauchte sofort vor ihrem inneren Auge auf. Aber es gab ihr keinerlei Anhaltspunkt. Auch bei Håkan Persson Riddarstolpe war alles gut gelaufen. Richtig gut. Das hatte er sogar selbst zum Abschied gesagt. Hatte ihre Hand geschüttelt und gemeint: «Das lief ja richtig gut.»
    Was war passiert? Hatte er gelogen? Und wenn ja, warum? Sie musste mehr erfahren.
    «Ja …», antwortete Vanja nun, um zu bestätigen, dass sie genau wusste, von wem Harriet sprach.
    «In seiner Beurteilung», fuhr Harriet fort, «äußert er ziemlich deutlich, dass du nicht für diese Aufgabe geeignet seist, und rät daher davon ab, dich zu nehmen.»
    «Warum?»
    Es war das Einzige, was sie hervorbrachte, weil es das einzige Wort war, an das sie dachte. Sonst war ihr Gehirn leer.
    «Es gibt verschiedene Gründe. Doch sein Gutachten gibt den Ausschlag.»
    «Aber es ist nur ein einziges Gutachten von einer einzigen Person.»
    «Das FBI würde dich niemals zulassen, wenn der zuständige Psychologe dich für nicht geeignet befindet», erklärte Harriet in einem besänftigenden Tonfall, der ihre ehrlichen Worte ein wenig abmildern sollte.
    Was bei Vanja allerdings keine Wirkung zeigte. «Aber ich bin geeignet», schrie sie nun beinahe. «Da kannst du jeden fragen! Niemand ist besser geeignet als ich, verdammt noch mal.»
    «Vanja, es tut mir leid.»
    «Das reicht nicht!» Vanja spuckte ihre Worte geradezu aus.
    Das konnte nicht wirklich passieren. Sie hatte nicht vor, das zuzulassen. Sie gab nie auf. So tickte sie. Deshalb war sie die Beste.
    «Man kann doch ein anderes Gutachten einholen lassen, von jemand anderem. Er täuscht sich. Man muss sich doch irgendwie dagegen wehren können!»
    «Håkan ist bei uns für diese Art von Gutachten zuständig, und sie sind nicht anfechtbar.»
    Vanja verstummte. Was sollte sie noch sagen? Die Tür, durch die sie hatte flüchten wollen, wurde so hart und endgültig vor ihr zugeschlagen, dass sie sich einbildete, es zu spüren, körperlich, als hätte man ihr gerade einen brutalen Schlag verpasst.
    «Es werden neue Chancen kommen», versuchte Harriet, sie zu trösten. «Nicht in diesem Jahr, und so, wie es aussieht, auch nicht im nächsten. Aber es wird nicht die letzte sein.»
    «Ja. Danke.»
    Vanja hatte das Gespräch beendet. Sie blieb am Fenster stehen, sah, wie die Menschen ein Stück entfernt, hinter den Bäumen, spazieren gingen, joggten und Fahrrad fuhren. Irgendwohin, wo ihr Leben weiterging. Aber was sollte sie tun? Wie sollte sie weitermachen?
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Wollte weinen, doch sie konnte nicht. Sie war nur leer. Sie hatte das Gefühl, als wäre die Ausbildung das zerbrechliche Fundament gewesen, auf dem alles andere geruht hatte, das dafür gesorgt hatte, dass sie trotz allem irgendwie

Weitere Kostenlose Bücher