Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
grauweißen Mehrfamilienhäusern parkte. Sie ging auf dem breiten, asphaltierten Weg auf die Nummer 107 zu. Ein Stück entfernt sah sie einen Streifen grauen Wassers. Es wirkte wie ein Kanal, aber vermutlich war es ein Ausläufer des Mälaren.
    Die Haustür war aus Metall und Glas. Und verschlossen. Sie schaute auf die Sprechanlage. Bergkvist, zweiter Stock. Vanja klingelte stattdessen bei Levin im dritten Stock und behauptete, sie müsse Blumen bei Bergkvist im zweiten abliefern, aber dort sei niemand zu Hause. Ob sie hereinkommen und den Strauß auf der Fußmatte hinterlassen könne? Als sie in dem kühlen Treppenhaus stand, beschloss sie, zu Fuß in den zweiten Stock zu steigen. Ellinor Bergkvist wohnte in der ersten Wohnung auf der linken Seite. Eine Frau von etwa fünfunddreißig Jahren öffnete die Tür. Im Hintergrund war das Plärren eines Zeichentrickfilms zu hören. Die Frau in der Tür hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, trug diskrete goldene Ohrringe und war elegant geschminkt, wenngleich das Make-up nicht gerade frisch aussah. Sie war mit einem Kostüm und einer hellen Bluse bekleidet. Vanja vermutete, dass sie ihr Kind auf dem Rückweg von der Arbeit abgeholt hatte und gerade erst nach Hause gekommen war.
    «Ellinor Bergkvist?», fragte Vanja, als die Frau sie ein wenig gestresst musterte.
    «Ja.»
    «Ich heiße Vanja Lithner», sagte Vanja, verstummte und wartete auf eine Reaktion. Ihr Nachname war außergewöhnlich. Wenn die Frau, die vor ihr stand, in die Sache mit ihrem Vater verwickelt war, müsste sie sich schon sehr anstrengen, um nicht darauf zu reagieren. Vanja betrachtete sie aufmerksam. Das konnte sie gut. Sie sah die kleinen Anzeichen, bemerkte die Nuancen, ein Blinzeln, eine Verlagerung des Körpergewichts. Bei dieser Ellinor registrierte sie jedoch nichts als aufrichtige Verwunderung.
    «Ja, und?»
    «Valdemar Lithner ist mein Vater», ergänzte Vanja, schwieg dann aber erneut. Wartete ab und beobachtete.
    «Entschuldigen Sie – was wollen Sie eigentlich von mir?»
    Aus dem Inneren der Wohnung drang jetzt erst Gebrüll, dann ein Ruf nach der Mutter und die Information, dass Hugo wieder seine Schwester schlug, gefolgt von Hugos Verteidigungsgebrüll und der Feststellung, dass Linnea eine doofe Lügnerin sei.
    «Ich komme gleich! Bitte vertragt euch!», rief die Frau in die Wohnung, ehe sie sich wieder Vanja zuwandte.
    «Haben Sie nie etwas mit Valdemar und einem Mann namens Trolle Hermansson zu tun gehabt?»
    «Nein, habe ich nicht. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.»
    Jetzt wirkten ihre Augen und ihre Stimme gestresst, was vermutlich vor allem daran lag, dass Linnea alle wissen ließ, dass Hugo ein Blödmann war, weil er einfach umgeschaltet hatte. Die erste Ellinor war nicht die richtige. Vanja war sich jetzt sicher.
    «Entschuldigung, dann habe ich wohl die falsche Adresse, das tut mir leid», sagte sie und trat einen Schritt zurück.
    Die Frau nickte nur, ehe sie die Tür mit einem Knall zuschlug. Jetzt war ein erneutes Geschrei zu hören, anschließend Geheul und Ellinor Bergkvists Stimme, die nun ebenfalls lauthals an der Intelligenz ihres Sohnes zweifelte, weil er beschlossen hatte, den Konflikt mit seiner Schwester durch rohe Gewalt mit Hilfe der Fernbedienung zu lösen.
    Vanja ging langsam die Treppen hinunter. Noch zwei Ellinors im Großraum Stockholm. Zwanzig außerhalb, in der Provinz. Aber sie hatte keine Eile.
    Sie würde ja ohnehin nicht in die USA fahren.

[zur Inhaltsübersicht]
    M ehran nahm die blaue Linie zum Fridhemsplan. Sie führte auf direktem Weg dorthin, ohne dass man umsteigen musste. Das kleine Geschäft lag in der U-Bahn-Station, das wusste er, aber er war unsicher, welchen Ausgang er nehmen musste. Er war schon seit zehn Jahren nicht mehr dort gewesen und begriff, dass er sich nicht auf die Erinnerungen verlassen konnte, die er als kleiner Junge gehabt hatte. Was für einen Fünfjährigen eine riesige Entfernung bedeutet hatte, waren heute vielleicht nicht mehr als hundert Meter.
    Als Mehran mit der Rolltreppe vom Bahnsteig in den breiten Tunnel hinauffuhr, der zu den verschiedenen Aufgängen führte, bekam er eine SMS von Levan, die bestätigte, dass die Party stattfinden würde. Mehran schloss sie unbeantwortet. Er hatte jetzt wichtigere Dinge im Kopf.
    Er wusste, dass der Laden nicht an einem der größeren Aufgänge zum eigentlichen Fridhemsplan lag, denn dort war er schon oft gewesen, sondern an einem der kleineren, Richtung Stadshagen.

Weitere Kostenlose Bücher