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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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vorzustellen, was ihr damals durch den Kopf ging. Ich frage mich, ob sie die Person bereits kannte, zu der sie mal werden sollte, oder ob die Natalie von damals jemand völlig anderes war. Ich male mir aus, wie sie vor der Kamera hockt, genau wie Emma Green ein paar Jahre später, dann ein Bitte lächeln , das Klicken des Verschlusses, das Flackern des Blitzlichtes und Der Nächste, bitte , während der Fotograf sie durchwinkt und ihr Bild abgespeichert, auf einer …
    Speicherkarte.
    Mann, das habe ich ganz vergessen!
    Ich greife in meine Tasche, und da ist sie, die Karte, die ich aus der Kamera in Coopers Auffahrt genommen habe. Ich stecke sie in den Computer, und er brummt ein paar Sekunden vor sich hin, während er versucht, sie zu lesen. Wenn wir Glück haben, hat er ein Foto von seinem Entführer gemacht. Oder es ist irgendeine Räumlichkeit darauf zu sehen oder zumindest etwas, das uns zu ihm führt. Es erscheint ein neues Icon, und ich klicke es an, um den Ordner mit den Dateien aufzurufen, was eine Weile dauert. Dann klicke ich auf die erste Datei, und zehn Sekunden später öffnet sie sich, nach und nach lädt der Computer das Bild, von oben nach unten. Das zweite erscheint sehr viel schneller. Es gibt nur diese zwei Bilder, und ich springe zwischen ihnen hin und her, als Schroder das Zimmer betritt.
    »Mann, Tate, wie bist du hier reingekommen?«
    »Emma Green«, sage ich und stoße mich mit dem Stuhl vom Schreibtisch fort. Trotz der Hitze im Büro fühlt sich meine Haut klamm an, und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. »Mein Gott, Carl«, sage ich mit trockenem Mund. »Ich glaube, Emma Green ist noch am Leben.«
    »Hör zu, Tate, du kannst nicht …«
    »Halt ausnahmsweise mal die Klappe, Carl«, sage ich, und er tut es. »Schau dir das hier an«, sage ich und nicke Richtung Computer. Er kommt um den Schreibtisch, und ich behalte ihn im Auge, während er die Fotos betrachtet; die einzigen Geräusche im Büro sind das Surren des Computergebläses und das gelegentliche Klicken der Maus. Draußen ertönen Schreie und Gelächter, Studenten in ihrem Element. Schroder hat die Ärmel hochgekrempelt und sich vorgebeugt, während er sich mit den Händen auf der Tischplatte abstützt. Er hat Gänsehaut an den Unterarmen. Langsam schüttelt er den Kopf, und ich tue dasselbe. Dann stehe ich auf, und Schroder setzt sich auf den Stuhl. Ich trete ans Fenster und starre hinaus zu den Studenten, unten in der Sonne, sie sind alle um die zwanzig und haben noch so viel zu lernen, allerdings gibt es in der wirklichen Welt Dinge, die sie hoffentlich nie sehen müssen. Es gibt das Sprichwort, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte. Wenn man sich die Fotos anschaut, wird einem klar, wie wahr es ist. Dennoch verraten sie uns nicht, wie die Geschichte endet.
    »Wir müssen das Büro noch mal durchsuchen«, sage ich, den Blick weiter aus dem Fenster gerichtet. Im Schatten eines Baumes knutscht ein Studentenpaar, sodass es jeder mitkriegt. Als sie merken, dass die anderen sie beobachten, kommen sie so richtig zur Sache, ziehen eine Show ab. Am liebsten würde ich einen Eimer kaltes Wasser über ihnen ausleeren.
    »Wir haben es bereits durchsucht«, sagt Schroder.
    »Ja, ihr habt es durchsucht, um rauszufinden, was mit Cooper passiert ist. Er war für euch das Opfer.«
    »Und kein Verdächtiger«, sagt er. »Woher zum Henker hast du die?«, fragt er.
    »Sie sind auf einer Speicherkarte, die ich vor Coopers Haus gefunden habe.«
    »Mensch, Tate. Dir ist nicht eingefallen, das früher zu erwähnen?«
    »Um ehrlich zu sein, Carl, nein, ist es nicht. Ich hab vergessen, dass ich das verdammte Ding hatte«, blaffe ich. »Warum musst du immer von dem Schlimmsten ausgehen?«
    Er antwortet nicht.
    »Tut mir leid«, sage ich, und dann erzähle ich ihm, wie die Karte bei mir gelandet ist. »Wenn ich nicht rechtzeitig da gewesen wäre, wäre sie wie alles andere zerstört worden, und du hättest keines davon.« Ich nicke Richtung Computer, auf dem Bilder von Emma Green zu sehen sind, wie sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden liegt. Auf einem der Fotos trägt sie das Kleid, in dem sie verschwunden ist, und auf dem anderen gar nichts. Sie hat Klebeband über den Augen, aber keins auf dem Mund. »Du wüsstest nicht mal, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gibt.«
    »Wir wissen nicht, ob sie noch am Leben ist«, sagt er.
    »Und wir haben auch keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen. Was, wenn Cooper unterbrochen

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