Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
seiner Residenz zu erscheinen hatte, aber Marguerite war am Abend zuvor krank geworden.
Wegen einer Unpässlichkeit hatte sie morgens nicht aufstehen können, versprach ihrer Mutter aber, mit Madame de Chatillon nachzukommen, sobald sie wieder gesund wäre. Marguerite sollte also unterwegs nach Amboise sein.
François war schon ungeduldig. Mit seinem gelben Wams, passenden Hosen, einem Hut mit großen weißen Federn und dem Degen an der Seite wirkte er sehr ansehnlich, suchte aber immer wieder unruhig den Horizont nach seiner Schwester ab.
Seine Mutter machte sich ebenfalls Sorgen, wollte sich aber vor der Königin gut gelaunt geben. Louise fragte sich ebenfalls, wo ihre Tochter bleiben mochte und war wegen François unruhig, der sich immer ein wenig unsicher fühlte, wenn seine Schwester bei solchen offiziellen Anlässen nicht in seiner Nähe war.
François sah sich nach seiner Mutter um. Sie unterhielt sich gerade mit Charles de Bourbon, der sich von den anderen getrennt
hatte, weil die Waffenbrüder des Königs mit einem anderen Schiff fuhren.
Georges d’Amboise, La Palice und La Trémoille bildeten eine kleine Gruppe, während d’Alençon und Nemours, einer jünger und angriffslustiger als der andere, sich einen heftigen Wortwechsel lieferten.
François grüßte den Herzog von Bourbon artig und wandte sich dann an seine Mutter.
»Ich kann nicht länger auf meine Schwester warten. Wir treffen uns dann eben in Orléans zum Empfang der Galeoten.«
Louise war so beansprucht von der Aufmerksamkeit, die Charles de Bourbon ihr schenkte, dass sie ihrem Sohn nur zulächelte und ihm gute Reise wünschte. So bemerkte sie auch kaum das Eintreffen von François’ Freunden, die ihm wie immer auf den Fersen waren.
»Wenn du nach Blois reitest, um Marguerite zu suchen, verpasst du sehr wahrscheinlich den Aufbruch der Truppen«, meinte Chabot beiläufig und rückte sein Wams zurecht.
»Und was glaubt Ihr wohl, wie verärgert erst der König sein wird, wenn er Euer Fehlen bemerkt, François!«, fügte sein Lehrer Artus de Goffier hinzu.
»Ach was, meine Mutter wird ihm schon erklären, dass Marguerite auch dabei sein muss. Macht Euch keine Gedanken, Artus, und verständigt Bonnivet. Er soll mich begleiten.«
Er wendete sein Pferd, zog unsanft an den Zügeln und sah sich um.
»Robert«, wandte er sich an seinen Freund La Merck, der gerade angaloppiert kam, »du bleibst mit Montmorency hier. Zwei oder drei von uns sollten zur Stelle sein.«
Artus sah sich nach Bonnivet um und verfluchte einmal mehr die Sorglosigkeit seines jüngeren Bruders, wobei er sich wieder
einmal fragte, warum ihn François d’Angoulême allen anderen Freunden vorzog.
»Wo bleibt nur Guillaume?«, seufzte er. »Ich kann ihn nirgends entdecken.«
Auch François sah sich jetzt suchend um.
»Ich verwette meine gut gefüllte Börse, dass er sich gerade mit irgendeinem hübschen Mädchen vergnügt!«
Charles de Bourbon ließ sein Pferd neben Louise tänzeln, dass der Staub nur so aufwirbelte. Aber wenn es ums Reiten ging, bedurfte es schon größerer Anstrengungen, um François’ Bewunderung zu wecken.
So sehr den jungen Mann die Hiebe und Attacken des jungen Nemours mit dem Degen beeindruckten, so kalt ließen ihn die Reitkünste des Duc de Bourbon.
Nicht dass er die Liaison seiner Mutter mit Montpensier-Bourbon missbilligt hätte. Wie hätte er sich das auch anmaßen können, nachdem er selbst gerade viel mehr Fortschritte in seinem Liebesleben als in seiner Rolle als Thronfolger machte?
»Ihr wollt mit Guillaume aufbrechen, François?«, fragte seine Mutter erstaunt, dass ihr Sohn noch da war.
»Ja, sobald wir ihn gefunden haben, Mutter.«
»Und Ihr werdet nicht eskortiert?«
»Wir brauchen keine Eskorte, Mutter. Ich verspreche Euch, heute Abend habe ich Euch Marguerite zurückgebracht.«
Dann warf er einen Blick auf das königliche Schiff, das umgeben von Gabaren, Zillen und Galeoten das Herrscherpaar und sein Gefolge erwartete.
Die Galeoten fuhren langsam flussabwärts Richtung Blois, um in Tours den Rest der Truppen aufzunehmen und nach Orléans weiterzufahren. Mit Rücksicht auf ihre Schwangerschaft weigerte sich Anne, den König weiter als bis Orléans zu begleiten.
Die Zeiten waren vorbei, als sie ihren Gatten erst in Grenoble verabschiedet hatte, wenn er sich für seine Italienfeldzüge auf den Weg über die Alpen machte.
Zufrieden stellte François fest, dass sich seine Mutter weniger Sorgen machte als Artus, weil sie
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