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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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seit den letzten Ereignissen in Paris! Womöglich hatten sie sich wo ganz anderes versteckt… und dann? Wie sollte er sie finden? Oder sonst irgendjemanden, der ihnen half? Seine Mutter war im Kloster von Bonlieu… weit weg. Yvo hatte sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht. Aber das war im Augenblick gleichgültig! Sie mussten auf jeden Fall erst einmal aus der Nähe von Paris gelangen! Am Horizont färbte sich der Himmel bereits rosa. Der junge Graf zog Jocelin vor sich in den eigenen Sattel und jagte dann das zweite Pferd mit einem Hieb gegen die Flanken davon. So würden sie schneller vorankommen. Und vielleicht brachte das reiterlose Tier ihre Verfolger auch erst einmal auf eine falsche Fährte!
    Als die Flüchtlinge den Wald erreichten, brach das erste Morgenlicht durch die gespenstische Schwärze des Blätterdaches.
    „Jocelin? Sire? Ihr müsst mir helfen, den Weg wieder zu finden!“ Yvo rüttelte ihn am Arm.  Der Ordensbruder fuhr sich über die tränenden Augen. Er hatte Mühe, überhaupt irgendetwas zu sehen, geschweige denn, den Weg durch das Dickicht zu erinnern. Der große Fels, der einst als Markierung gedient hatte, war unterdessen schon fast von Gestrüpp überwachsen.
    „Ich habe nicht geglaubt, dass ich die Sonne noch einmal sehe”, sagte er leise und ließ die Hand durch die herabhängenden Zweige gleiten. Wassertropfen sprühten, in denen das Licht glitzerte. Es faszinierte ihn, obwohl es seinen Augen Schmerzen bereitete.
    „Ich hätte Euch eher befreit, wenn ich gewusst hätte, dass Ihr noch am Leben seid! Aber ich dachte, Ihr wäret tot. Alle haben das gedacht.”
    „Ja. So wollte es König Philipp.”
    Ein Fieberschauer überfiel Jocelin und er krümmte sich zusammen.
    „Wollt Ihr Euch etwas ausruhen? Dort drüben, auf dem Moos?”
    „Zu gefährlich... Nur etwas Wasser, bitte.”
    Yvo griff nach der Feldflasche und merkte, dass sie leer war. Aber nicht weit entfernt schlängelte sich ein Bach durch das Gehölz.
    „Ich hole Euch etwas!”
    Er glitt aus dem Sattel und stieg die Böschung hinunter. Als er sich über das Wasser beugte, richtete sich eine Schwertspitze auf ihn.
    „Schickt Seine Majestät jetzt schon Kinder nach uns? Dann ist es schlecht bestellt um seine Armee!“
    Erschrocken wurde Yvo sich bewusst, dass er ja noch immer die Gardistenuniform trug.
    „Ich... ich...“ stammelte er und fühlte sich am Kragen gepackt.
    „Lasst ihn los, Bruder Jean!“
    Yvo sah, wie der dunkeläugige Mann, der ihn festhielt, sich bekreuzigte, mit offenem Mund auf Jocelin starrend. Einen Moment später lockerte sich der Griff. „Heilige Dreifaltigkeit! Wenn ich nicht wüsste, dass ich schon seit Monaten keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken habe…! Komtur Jocelin!!! Woher kommt Ihr?“
    „Aus dem Verlies des Temple“, antwortete Yvo. „Ich war unterwegs zu euch. Aber ich wusste nicht, ob ich noch jemanden hier antreffen würde.“
    „Nun, ich und ein paar andere sind noch hier. Wir haben uns geteilt, um sicherer zu sein.“
    Jean brach mit einem Blick auf Jocelin ab. Er wollte nicht einfach so damit herauspoltern, dass er hauptsächlich wegen Bruder Arnaud hier geblieben war, weil er glaubte, der alte Mann würde keine gefährliche Flucht vorbei an all den Spitzeln des Königs und der Inquisition überleben… oder sie vielleicht gar in seinen weniger lichten Momenten in Gefahr bringen.
    „Ich bringe euch zur Höhle. Vorsicht mit dem Weg dort drüben, da ist alles sumpfig!“
    Jean de Saint-Florent hatte Jocelin in den Schatten des Höhleneingangs getragen und sich dann nach Arnaud umgesehen. Wie jeden Tag fand er den alten Ordensbruder im hinteren Teil der Höhle vor der Felswand kniend, die Arme kreuzförmig ausgestreckt und die Stirn gegen den Stein gelehnt. Seine Lippen bewegten sich in den immer gleichen Worten, aneinandergereiht mit wechselnder Inbrunst: „Herr vergib mir meine Schuld, vergib mir, vergib mir…“
    Jean streckte zögernd die Hand nach dem alten Mann aus. „Bruder Arnaud?“
    „Bist du der Todesengel? Wenn nicht… geh fort…“
    „Bruder Arnaud! Wacht auf!“
    „Die Flammen der Hölle... Sie werden mich verschlingen...“
    „Bruder Arnaud, Jocelin ist am Leben! Verdammt, Arnaud!“
    Jean rüttelte ihn an den Schultern, bis er sich tatsächlich umwandte und die Arme sinken ließ.
    „Was… Das ist nicht möglich… Lasst mich…“
    „Doch! Er ist hier! Begreift doch! Der junge Graf von Montfort hat ihn aus dem Kerker geholt! Er ist HIER! Und

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