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Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Titel: Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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Trotzdem fanden sie auch Zeit für weniger grundlegende Dinge. Geschichtenerzählen war weit verbreitet, und die Menschen waren musikalisch - wenn die größtenteils als Schlagwerk ausgelegten Instrumente in Ardens Ohren auch sehr fremd klangen. Einer der Schmiede in Deepling stellte Skulpturen her, fein gearbeitete Figuren, die so lebensecht waren, dass ihre Augen dem Betrachter zu folgen schienen. Mit jeder neuen Entdeckung wuchs Ardens Hochachtung für die Menschen im Lichtlosen Königreich.
    In White Falls berieten J'vina und V'dal sich mit den ortsansässigen Führern und Soldaten, die die anderen vor dem Aufbruch warnten, da sie bald unsicheres Gebiet betreten würden. Bis zum Dorf waren die Grauen Vandalen bislang noch nicht vorgedrungen, aber nicht allzu weit entfernt war es bereits zu Zusammenstößen gekommen. Alle bis auf L'tha waren jetzt bewaffnet - der beste Schmied in Midholm hatte Arden ein Schwert geschenkt -, und J'vina sah recht zufrieden aus, als sie die anderen darüber unterrichtete, dass man sicher bald von den Waffen Gebrauch machen würde.
    Gewalt war Arden zwar nicht fremd, aber er hatte noch nie ein Schwert im Zorn benutzt, und die Aussicht war ihm nicht angenehm. J'vina bot ihm sofort Unterrichtsstunden an, fast als hätte sie seine Gedanken gelesen.
    »Sie sucht nur eine Gelegenheit, um angeben zu können«, meinte B'van dazu.
    »Eifersucht steht Köchen nicht gut, meinst du nicht auch?« gab die Soldatin zurück. B'van grinste sie bloß an.
    J'vina zeigte Arden also ein paar Grundtechniken: wie man die Spitze und die geschliffenen Kanten benutzte, wie man sich ausbalancierte, um den Schlag eines Gegners abzuwehren. Zuerst kam er sich töricht und ungeschickt vor, besonders vor den interessierten Zuschauern, aber nach einer Weile blieb etwas von ihren Bemühungen hängen.
    »Und jetzt das Wichtigste«, verriet J'vina ihrem mittlerweile atemlosen Schüler. »Was tust du, wenn du dich zwei oder mehr bewaffneten Gegnern gegenübersiehst?«
    »Weglaufen?« schlug Arden vor.
    »Genau!« Sie lachte. »Du hast zuviel Verstand, um einen guten Soldaten abzugeben.«
    Wenn es sich bei den >Gegnern< um Elementale handelt, dachte Arden, kann ich allerdings nicht weglaufen. Und das Schwert wird mir auch nichts nützen.
    Nachdem sie White Falls verlassen hatten, führte V'dal sie in ein Labyrinth aus miteinander verbundenen Tunnel. Hier gab es nur wenige Höhlen von erwähnenswerter Größe, und Arden wunderte sich über das Vertrauen, das V'dal in seine Route setzte. Alleine wäre Arden mit Sicherheit endlos im Kreis herumgelaufen. Das Gelände war schwierig, und sie kamen nur langsam voran. An manchen Stellen war es so dunkel, dass D'vor zu einer unüblichen Maßnahme griff und eine Glühlampe entzündete. Der schwache rote Schein ermöglichte es Arden, ohne fremde Hilfe weiterzugehen.
    In jener Nacht schlugen sie ihr Lager in einer kleinen, von Kristallen beleuchteten Höhle auf, von der mehrere Tunnel ausgingen. Während ihr Mahl vorbereitet wurde, suchte V'dal das umliegende Gelände ab und berichtete, dass es keinerlei Anzeichen von Freunden oder Feinden gebe. Beim Essen fiel Arden die ungewöhnlich unterschiedlichen Luftströmungen in der Höhle auf. Er hatte unterwegs schon verschiedene unterirdische Winde bemerkt und hatte gesehen, wie diese bei der Platzierung der Schmieden und Kochstellen von den Menschen genutzt wurden - doch das hier war etwas anderes. Die Luftbewegung war ungleichmäßig und unklar, und sie brachte eine geräuschlose Vibration mit sich. Arden war nicht wohl dabei und betrachtete seine Gefährten, doch die sahen darin offenbar nichts Ungewöhnliches.
    Es dauerte jedoch nicht lange, und die Vibrationen wurden hörbar. Arden lauschte. Jeder Ton ging gleitend in den nächsten über, entzweiend und verschmelzend, steigend und fallend, und so entstand ein fließend-melancholisches Lied, das ihn an Gesang erinnerte, mit dem die Ordensbrüder ihren Gott gepriesen hatten. Dann erkannte er, dass dies die Musik der Erde selber war.
    »Der singende Sand«, flüsterte er, wie gebannt von der perversen Schönheit des Klangs. »Hier unten klingt es vollkommen anders.«
    Die anderen verfolgten seine Konzentration mit Interesse.
    »Es ist wunderschön, nicht wahr?« pflichtete L'tha ihm leise bei.
    »Es ist nur der Wind«, erklärte ihm J'vina.
    Doch Arden hörte sie nicht. Er war in Gedanken bei der hypnotischen Musik und überlegte, dass sie jetzt irgendwo unter der Diamantenwüste sein

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