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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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für mich etwas ganz Neues. Vielleicht lag es an der Hitze. Ich glaubte ja nicht, dass sie schlecht war; sie hatte sich einfach nur verliebt, und mir schien nichts Schlimmes daran zu sein. Warum wollten meine Eltern oder mein Bruder sie nicht so akzeptieren, wie sie war? Obwohl sie so böse auf sie waren, dachte ich immer noch, wie wunderschön alles werden würde. Jede Nacht wartete ich förmlich darauf, dass sie zum Fenster hereingeklettert kam und sich mit ihrem vertrauten Lachen zu mir ins Bett kuschelte. Abends habe ich immer das Fenster weit aufgemacht und sämtliche Gurus und Götter angefleht. Ich habe regelmäßig meine Gebete gesprochen, habe alles getan, was mir aufgetragen war.
    Aber sie kam nie zurück.
    â—† ◆ ◆
    Ich hatte fast die ganze Nacht nicht geschlafen. Was ich in der Anstalt erfahren hatte, ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Außerdem wollte ich schon zeitig zu Durga, um ihr zu sagen, dass sie Tante geworden war. Das würde sie bestimmt ein bisschen aufmuntern.
    Ich fühlte mich immer verantwortlicher für sie und fürchtete nach wie vor, dass sich durch meinen Besuch in der Anstalt ihre Lage irgendwie verschlechtern könnte. Falls bisher noch niemand auf eine mögliche Verbindung zwischen Shardas psychischer Krankheit und der Gewalttätigkeit, die man Durga unterstellte, gekommen war, wollte ich nicht diejenige sein, die die anderen mit der Nase darauf stieß.
    Als sollten sich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen, rief mich schon am frühen Morgen Amarjit auf dem Apparat in meinem Zimmer an. Mein Mobiltelefon hatte ich abgeschaltet. Ich versuchte, Geld zu sparen, wo ich nur konnte, obwohl das wahrscheinlich ein nutzloses Unterfangen war, denn wenn meine Mutter anrief, konnte das Gespräch gut und gerne mehrere Stunden dauern. Sie konnte einfach nicht begreifen, wieso ich das ziemlich große Vermögen, das mein Vater mir hinterlassen hatte, partout nicht verprassen wollte. Sie verstand auch überhaupt nicht, wieso ich Skrupel dabei empfand, wenn ich Geld ausgab. »Wie gewonnen, so zerronnen«, war ihr Motto. Selbst als mein Vater schließlich »abtrat«, das Ergebnis unzähliger Überstunden und der anschließenden Leistungsabforderung im Bett, musste der einmal erreichte Standard beibehalten werden. Denn wozu war Geld denn da, wenn nicht dazu, sich etwas davon zu kaufen?
    Â»Du bist in Amritsar gewesen? Wieso hast du mir nichts davon erzählt?« Amarjits Stimme klang leicht verschnupft.
    Â»Wie hast du davon erfahren?«
    Â»Meine Liebe, man erwartet von mir, dass ich die Aufgaben eines Polizisten erfülle, falls du dich erinnerst. Ich habe Informanten, Leute, die mir Dinge zuflüstern, von denen sie glauben, dass ich sie wissen sollte.«
    Â»Und was sonst noch?«
    Â»Hast du nicht gewusst, dass ihre Schwester da drin gesessen hat?«
    Â»Niemand konnte mir das mit Bestimmtheit sagen. Ich wollte mir selbst Gewissheit verschaffen.«
    Â»Und du hast gedacht, sie wäre immer noch dort? Hast du dich nach ihr umgeschaut?«
    Â»Nein. Der Direktor versicherte mir, dass er keine Ahnung hätte, wo sie abgeblieben sei, dass ihre Familie sie abgeholt hätte. Du solltest doch wissen, wo sie danach hingekommen ist.«
    Â»Warum fragst du das nicht unsere Heldin? Sie kann dir bestimmt besser Auskunft geben.«
    Â»Amarjit, versuchst du, mir gerade mitzuteilen, dass sie ihre Schwester umgebracht hat oder dass sie sie in der Irrenanstalt hat verschwinden lassen? Wir reden hier von einem vierzehnjährigen Mädchen. Nach allem, was ich von ihr gehört habe, scheint Sharda der einzige Mensch zu sein, der Durga wirklich etwas bedeutet hat.«
    Â»Also, ich bin von beidem nicht so recht überzeugt. Du wirst das herausfinden. Nur … die Medien und mein Vorgesetzter wollen wissen, wie lange es noch dauern wird, bis wir erste Ergebnisse der Ermittlung bekannt geben. Ich habe überall verbreitet, dass Durga noch unter ärztlicher Überwachung steht. Also, wie ist nun deine Einschätzung?«
    Â»Ich habe ihr immer geglaubt, dass sie unschuldig, dass sie selbst ein Opfer ist. Und ich denke, dass ihre Schwester auch ein Opfer war. Doch zunächst muss ich weiter mit ihr reden. Sie weigert sich immer noch, darüber zu sprechen, was in jener Nacht geschehen ist. Gib mir bitte noch ein paar Wochen.«
    Â»Gut, ich werde versuchen, noch etwas mehr Zeit für dich

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