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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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wir in den letzten Jahren keine Gelegenheit hatten, uns zu sehen – Sie wissen, wie das ist –, bin ich doch ihr nächster Verwandter. Daher hat sie mir für die Zeit ihrer Genesung die Betreuung ihres Kindes anvertraut, der kleinen Sarah hier. Heute morgen stand sie einfach so vor der Tür. Nur mit diesem Brief in der Hand! Sie wurde abgeliefert wie ein Päckchen!«
    Remouald nickte, ließ sich aber ansonsten nichts anmerken. Der Direktor, der seine Zurückhaltung sehr wohl spürte, fand, dass sein Untergebener es ihm unnötig schwer machte. Er ließ ein paar Sekunden verstreichen, seufzte kurz und sprach rasch weiter:
    »Sie wissen besser als jeder andere, mein lieber Tremblay, wie sehr ich hier in der Bank eingespannt bin (wobei er das Wort »Bank« dergestalt betonte, dass seine besondere Bindung an diese Institution nicht zu überhören war). Ich werde die Betreuung der Kleinen daher nicht selbst übernehmen können. Und meine Frau ist momentan unpässlich, Gott schütze sie, so dass ich gezwungen bin, Sarah mit hierher zu nehmen, und nun sitzt sie hier in ihrem Sessel und langweilt sich seit heute früh.«
    Monsieur Judith, der ein wenig Schmalz aus seinem behaarten Ohr gepult hatte, tat, als wäre er ganz von der Spitze seines Fingernagels eingenommen. In Wirklichkeit beobachtete er, welche Wirkung die Geschichte auf Remouald haben würde. Dieser hüllte sich in mürrisches Schweigen. Der Direktor räusperte sich.
    »Nun ja, und da habe ich an Sie gedacht!«
    »An mich?«
    »Ja.«
    »Und weswegen?«
    »Na, wegen der Kleinen. Ich weiß, dass das Arbeitspensum, das Ihnen derzeit obliegt, nicht überbordend ist. Und ich halte Sie aufgrund Ihrer Kompetenzen durchaus in der Lage, Ihr Tagwerk vielleicht in den Vormittagsstunden erledigen zu können … Irre ich mich? Könnten Sie das?«
    »Vielleicht. Und das hieße?«
    »Es ist mir ein wenig unangenehm, Sie das zu fragen. Aber sehen Sie die Sache doch einmal so: Sie arbeiten hier seit fünfzehn Jahren, Sie haben Ihre Aufgaben immer tadellos erfüllt, erinnern Sie sich nur an die letzte Vorstandssitzung, in der Monsieur Latraverse Sie lobte, Sie seien ein Vorbild für alle Angestellten.«
    Remouald nahm nie an Vorstandssitzungen teil. Was hätte er dort auch verloren?
    »Ich wusste nicht, dass er das gesagt hat.«
    »Ich versichere Ihnen, er hat es genau so gesagt. Wenn Sie sich also bereiterklären würden, sich an einigen Nachmittagen um Sarah zu kümmern, während ich mir überlege, was wir am besten mit ihr machen, so wäre das für Sie doch ein wenig wie Urlaub, nicht wahr? Auf jeden Fall ein Beweis meines Vertrauens. Denken Sie doch: Sie könnten mit ihr in den Parkgehen, ins Kaufhaus, ins Kino, was weiß ich. Selbstverständlich übernehme ich alle Kosten. Ich frage Sie als Freund …«
    Remouald war nicht dumm: Es ging hier nicht um einen Gefallen, er wurde regelrecht angeheuert. Darüber hinaus wusste er genau, dass er bei der Arbeit für niemanden ein Vorbild war. Alles, was er konnte, war schnell rechnen. Alles weitere, das ganze Finanzzeug, davon verstand er nichts. Er wandte sich zu Sarah, als könne sie ihm in irgendeiner Weise helfen. Das Mädchen hob und senkte langsam die Augenlider. Um so große Augen zu bedecken, brauchten die Lider etwas Zeit. Remouald entfuhr das Wort »unmöglich«.
    »Inwiefern, mein Lieber?«
    »Was …? Äh, ja … Ich weiß nicht … Warum ich? Warum nehmen Sie kein Kindermädchen?«
    Der Direktor war Widerspruch nicht gewohnt, noch dazu von diesem Trottel von Remouald. Wenngleich seine Verhandlungsposition etwas schlechter war als gewöhnlich, hob er leicht den Ton.
    »Ein Kindermädchen, das bedeutet ein weiteres Gehalt, haben Sie daran einmal gedacht? Und glauben Sie nicht, ich sei reich. Die Zeiten sind hart. Hart für alle. Ich behellige Sie ungern damit, aber wenn Sie mich dazu zwingen, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich mich zur Zeit recht angeschlagen fühle. Finanziell, meine ich. Das sei Ihnen im Vertrauen gesagt, lieber Freund. Und das ist noch nicht alles. Wüsste ich denn bei einem Kindermädchen, ob man ihr trauen kann? Bei Ihnen hingegen … (Er öffnete die Arme in einer Geste der Selbstverständlichkeit.) Und es ist ja nur für kurze Zeit, wie ich Ihnen bereits sagte. Bis ich eine endgültige Lösung gefunden habe.«
    Remouald lächelte ungläubig und schüttelte sachte den Kopf. Monsieur Judith sah ihn verblüfft an. Er fragte sich, ob seinAngestellter überhaupt begriff, was er ihm da erzählte. Bei

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