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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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Hemden. Für Séraphon war das keine große Entdeckung. Er wollte wissen, ob da noch etwas anderes sei. Die Racicot ließ die Hemden fallen und beugte sich tief ins Möbel hinein:
    »Ein Stück Holz.«
    »Wie, ein Stück Holz? Was für ein Stück Holz?«
    »Ein Bild.«
    Séraphon verlor die Fassung:
    »Was wartest du? Zeig her, du dumme Kuh!«
    Eingeschüchtert beeilte sich die Witwe, das Heiligenbild aus der Schublade zu ziehen. Séraphon wurde leichenblass. Die Racicot legte den Gegenstand zurück an seinen Platz und stürzte zum Bett. Der alte Mann rang nach Atem. Sein Kopf rollte auf dem Kopfkissen hin und her. Die Witwe packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn wie eine stehengebliebene Uhr.
    »Geht schon, geht schon«, sagte Séraphon schließlich mit erschöpfter Stimme. »Lassen Sie mich.«
    Die Witwe sammelte mit großen Bewegungen ihre Flaschen und ihr Strickzeug ein und hastete zur Wohnungstür: Sollte der Greis über den Jordan gehen, wollte sie lieber nicht dabei sein. Séraphon hörte, wie sich ihre Schritte auf der Treppe verloren.
    Er betrachtete die Zimmerdecke, die er wie durch das breite Ende eines Opernglases sah. Die Welt entledigte sich seiner auf heimtückische Weise, er wurde in die Umlaufbahn eines unbekannten Planeten geschleudert. Verzweifelt schaute er sich um. Diese abgewetzten, aber treuen Kissen, die Fenster mit ihren ungleichen Vorhängen, das durchgelegene Bett, das im Laufe der Jahre die Form seines Körpers angenommen hatte, und sogar die Riemen, die ihn mit ihm verbanden – er empfand für diese Dinge eine nostalgische, verzweifelte Zärtlichkeit, es war ihm danach zu rufen: »Geht nicht fort …!« Auch die Dinge haben eine wenngleich kaum merkliche Seele, ein warmes, unsichtbares Vibrieren, das sie einem vertraut macht. Diese versteckte Seele war gerade dabei zu entschwinden. Ganze Bereiche seines Zimmers erstarrten, er nahm nichts mehr von ihnen wahr, weder Formen noch Farben. Die Dinge um ihn herum erloschen wie Kerzen, die man ausblies, verfielen eines nach dem anderen in ewige Kältestarre. Da, seine alten Schuhe, die das Regal seit Jahren nicht verlassen hatten, und angsterfüllt rief Séraphon immer wieder: »Das sind meine Stiefel, das sind meine Stiefel!« Doch schließlich erloschen auch sie. Séraphon fühlte, wie die eisige Kälte in ihn kroch. Seine Sinne spürte er nur noch gedämpft, wie geschwächt von einer anstrengenden Reise. Das Universum zog sich um seinen Körper herum zusammen, es schrumpfte wie Chagrinleder. In ihm flackerte nur noch eine schwache Flamme aufgeregt durchs Nichts. Er drehte das Gesicht zur noch immer geöffneten Kommodenschublade, die aussah wie eine herausgestreckte Zunge. Séraphon wollte sie festhalten, da ihre Grimasse ihm zumindest noch ein wenig Wärme spendete, doch auch die Kommode kippte um, und er existierte nicht mehr für sie, und sie konnte nichts mehr für ihn tun ...
    Séraphon hatte noch keinen Gedanken an den eigenen Tod verschwendet, es hatte ihn nie gekümmert. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es ein Ende der Welt gab oder dass das Universum seinen Lauf ohne ihn fortsetzte, so fest verankert war er in der ruhigen Gewissheit, dessen Mittelpunkt zu bilden. Immer wenn sich seine Gedanken darüber hinausgewagt hatten, in jene undenkbare Zeit, in der er selbst nicht mehr war, fielen sie zurück auf die Erde, zurück ins Leben, so dass ihm seine Anstrengungen kindisch erschienen, ebenso sinnlos wie der Versuch, einen Pfeil zum Mond schießen zu wollen. Letztendlich sagte er sich: »Ich habe noch viel Zeit, darüber nachzudenken.« Selbst als er schon in einem mehr denn ehrbaren Alter war, hatte er weiterhin den nie ergründeten Hang zu glauben, noch mindestens zwanzig Jahre vor sich zu haben.
    Diese zwanzig Jahre schrumpften nun auf die Größenordnung von wenigen Wochen, wenigen Tagen vielleicht, das Heiligenbild war der Beweis: Die Botschaft war eindeutig, unmissverständlich wie eine göttliche Verkündigung. Und der Tod erschien ihm plötzlich unter seinem schaurigsten Antlitz: ein langes kaltes Wachen in einem Loch. Er sah das Totsein wie ein Sich-tot- fühlen : tot in einem Grab aufzuwachen für alle Ewigkeit. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Würmer fraßen sich durch seine Haut, schoben sich durch seine Gebeine wie Kot durch den After. Er wollte seine Todesangst in diesem Bild ertränken, er wälzte sich darin, wie um sich davon zu überzeugen, dass dies der Gipfel allen Schreckens sei. Doch er ahnte, dass

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