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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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schließlich noch ein Lachs, silbrig und schmalgesichtig, dunkler Rücken, aufs Deck geworfen in sichtbarer Enttäuschung.
    Nullnummer, sagte Mark zu Dora, und Carl begriff, dass alles auf Marks Schultern lastete. Gab es keinen Fisch, war er schuld. Ein Tag auf dem Wasser war bares Geld, ausgegeben für Diesel und die Lizenz und die Kosten des Bootes, und das Netz konnte auch nur soundsooft ausgebracht werden.
    Mark rollte das restliche Netz auf, bis die Boje über die Spule kam. Die nahm er ab. Dora kletterte auf die Flybridge, legte wieder den Gang ein und steuerte neue Gewässer an.
    Carl ging zurück zur Tür. Tut mir leid, rief er Mark zu. Zu blöd.
    Mark antwortete nicht. Noch am Räumen auf dem Achterdeck, das jetzt von weißem Kielwasser gerahmt war. Er nahm einen Lachs bei den Kiemen, steckte den Finger hinein, dass es ploppte, und warf den Fisch in eine Seitenwanne. Das Gleiche machte er mit dem anderen Lachs, dann spritzte er mit einem Schlauch das Deck ab. Danach kam er zu Carl, und er sah nicht unglücklich aus.
    Alles locker, Kumpel, sagte er. Hast du Lust, mir beim Fischesuchen zu helfen?
    Klar, sagte Carl. Er hatte keine Ahnung, was Mark damit meinte.
    Komm mit nach oben, sagte Mark, und Carl kletterte hinter ihm die Leiter hoch. Dora salutierte gespielt und ging hinunter.
    Carl übernahm das Steuer, Mark setzte sich neben ihn auf die Bank und zeigte die Richtung an. Zu den Booten ganz da hinten, sagte er.
    Was hat da vorhin so geploppt?, fragte Carl.
    Was?
    Als du in die Kiemen gegriffen hast, dieses Ploppen.
    Ach so, hab bloß die Kiemen geploppt, damit der Fisch ausblutet. Einfachste Art, ihn zu töten, und wenn das ganze Blut weg ist, gehen sie viel sauberer in den Tank. So kriegen wir einen höheren Preis.
    Dann sprach Mark ins Funkgerät, plauderte einfach mit seinen Freunden da draußen, anderen Fischern, erkundigte sich nach ihrem Befinden, verabredete sich mit ihnen, lud sie in die Sauna ein. Er wirkte entspannt und beiläufig für jemanden, der heute überhaupt keinen Fisch gefangen hatte. Hin und wieder blickte er durch den Feldstecher.
    Die Slippery Jay zu steuern, war wie ein Fahrrad mit losem Lenker zu steuern. Carl schlug eine Richtung ein und fühlte, dass das Boot noch immer in die andere Richtung fuhr. Dann schwenkte es zu weit um. Er fuhr kreuz und quer, peinlich, aber Mark schien es nichts auszumachen. Plauderte immer noch mit seinen Freunden.
    Dann zeigte Mark nach links. Er legte das Mikro hin. Da drüben, sagte er. Richtungswechsel. Die beiden weißen Boote genau dort.
    Die hier näher dran?, fragte Carl. Er drehte das Ruder.
    Ja.
    Da sind die Fische?
    Ja. Genau da töten sie gerade Fische, genau jetzt.
    Das hat dir einer der Freunde erzählt?
    Ja.
    Aber ich hab gar nichts gehört.
    Die Unterhaltung über Bier. Keine Codewörter und nichts, bloß ein Gespür für das, was gesagt wird. Wir wollen nicht, dass jemand anders was mitkriegt. Dann würde ja jedes Boot aus der Gegend herkommen.
    Wow, sagte Carl.
    Tja, ist ziemlich James-Bond-mäßig hier draußen, sagte Carl lachend. Er blickte wieder durch den Feldstecher und betrachtete die Gruppe von Booten, auf die sie vorher zugesteuert waren. Einige kommen her. Sie haben es auch kapiert. Warten vielleicht nur drauf, dass wir wenden. Wir müssen schnell unser Netz ausbringen.
    Carl sah kurz zurück, konnte aber aus dieser Entfernung nichts sehen. Die ganze Unternehmung wirkte jetzt dringend. Kennst du sie?, fragte er Mark.
    Russische Boote, sagte Mark. Größer, vierzehn Meter, mit zwei Lizenzen, also haben sie einen extra Schäkel, vierhundert Meter Netz.
    Russen?
    Inzwischen wohl Alasker, sagte Mark. Aber russisch. Zwei Gemeinden hier, eine in der Nähe von Ninilchik. Gute Fischer, also brauchen sie uns normalerweise nicht. Haben wohl heute einen flauen Tag. Für gewöhnlich bleiben sie unter sich, ganz geschlossene Gemeinden, alles Familie, alles Fischer und Bootsbauer, höchste Fischerquote pro Kopf von allen Bevölkerungsgruppen hier.
    Also sind sie die Besten?
    Mark lachte. Die Norweger sind ganz üble Fischkiller. Hinten auf der anderen Seite der Bucht. Ortschaften, die man nur per Wasserflugzeug oder Boot erreicht. Sie haben die Kühe befruchtet und die Bullen getötet.
    Wie bitte?
    Entschuldigung, sagte Mark. Das ist ziemlich derb und politisch unkorrekt. Das sagt man so hier. Die Norweger haben die ganzen Aleutenfrauen geschwängert und die meisten Männer umgebracht, also tragen in diesen Ortschaften alle norwegische

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