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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Marion Weiß
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heißt,
wenn die Bremsen nicht versagt hätten? Wie kommst du denn darauf? Hast du denn nicht
gesehen, wie ich mit dem verdammten Slipper vom Bremspedal gerutscht bin?«
    Die Slipper.
Paula hatte etwas mitbekommen, aber nur ganz dunkel. Sie schluckte.
    »Nein, das
wusste ich nicht.«
    »So, dann
weißt du’s eben jetzt. Jetzt hast du deinen Sündenbock.«
    »So ein
Quatsch, Simon. Ich brauche doch keinen Sündenbock. Außerdem – es hat doch keinen
Zweck, wenn und hätte zu jammern. Was passiert ist, ist passiert.
Und wir sind doch wirklich noch mit einem blauen Auge davongekommen.«
    Unwillkürlich
griff sie sich ins Gesicht und betastete ihre noch leicht gewölbten Narben.
    »Siehst
du, da haben wir’s. Ich bin schuld daran. Ohne meinen Leichtsinn hättest du diese
Entstellung nicht.«
    »Wie bitte?«
Entstellung? Der Arzt hatte doch gesagt, dass alles verheilen würde. »Das ist es
also. Ich bin dir nicht mehr attraktiv genug. Du kannst dich nicht mehr mit mir
sehen lassen. Das ist der Grund, weshalb du mich sitzen lässt. Weil ich entstellt bin!«
    »Paula,
jetzt hör auf damit. Du weißt ganz genau, dass du Unsinn redest. Du legst aber auch
jedes Wort auf die Goldwaage.«
    »Das tun
wir Frauen so.«
    »Jetzt lass
mich doch erklären …«
    Und dann
ging es wieder los. Dass der Unfall nicht von ungefähr gekommen sei, dass er die
Strafe für den Ehebruch gewesen sei. Moralinsauer. 19. Jahrhundert in Reinkultur.
    Paula, die
verschmähte Frau. Das dämlichste Klischee überhaupt. Aber er würde schon noch sehen.
Wusste er nicht, dass eine verschmähte Frau eine Zeitbombe war?
     
    In den folgenden Wochen dröhnte
sie sich zu – mit hochdramatischem Belcanto, mit ihren Herz-Schmerz-Oldies, mit
Alkohol und Beruhigungstabletten. Und sie aß kaum mehr was.
    Robert machte
ihr Vorhaltungen, löcherte sie mit Fragen. Was, zum Teufel, ist mit dir los? Mit
dir stimmt doch was nicht.Und je öfter er fragte, desto mehr bockte sie.
    Die Vorweihnachtszeit
kam, düster, neblig, trüb, mal regnerisch, mal mit matschignassen Schneeflocken
– wie immer hier im Norden. Normalerweise kein Grund zu Trübsal, denn es war eigentlich
die Zeit für Geselligkeiten. Die Zeit der sonntäglichen Brunchs, der Spielenachmittage,
des gemeinsamen Plätzchenbackens. Doch diesmal nichts von alledem. Paula lud niemanden
ein, sie ging nicht aus dem Haus. Allenfalls um frische Luft zu schnappen und ein
bisschen Bewegung zu haben.
    Ansonsten
schrieb sie. Das Schreiben war jetzt ihre einzige Beschäftigung. Die Geschichte
von Èze hatte sie schon vor Wochen abgeschlossen. Es war ein richtiger Thriller
geworden, ein bisschen unkonventionell, mit viel schwarzem Humor. Sie hatte ihn
bei Schaller eingereicht, einem Verlag, der hauptsächlich Krimis herausgab. Was
sie nun begonnen hatte, war ein Roman – eine Dreiecksgeschichte, im Mittelpunkt
natürlich eine enttäuschte Frau. Aber eine wesentlich dickfelligere als Paula.
     
    Robert war aus der Stadt zurück.
Er war ungewöhnlich aufgekratzt.
    »Rate mal,
wen ich getroffen habe.«
    »Na, du
wirst es mir gleich sagen.«
    Sie klimperte
weiter auf ihrer Tastatur.
    »Markus.
Er beklagte sich, dass wir überhaupt nichts mehr von uns hören lassen. Er fragte,
ob wir uns nicht mal wieder zum Abendessen treffen könnten.«
    »Wohl am
Verhungern?«
    »Er plant
ein neues Filmprojekt. Hat anscheinend ein tolles Drehbuch angeboten bekommen. Hochbrisant.
Er würde gern drüber reden. Er bat mich, Simon dazu einzuladen.« Pause. »Du weißt
doch, Markus hält große Stücke auf ihn.«
    Paula atmete
tief durch. Dann drehte sie sich um und schaute Robert ausdruckslos an.
    »Ich denke,
du magst Simon nicht.«
    »Es geht
schließlich um meinen Bruder. Und ich werde der Letzte sein, der ihm Steine in den
Weg legt.«
    »Und da
schluckst du sogar diese Kröte?« Sie starrte ihn an. »Nun, wenn du meinst. Von mir
aus.«
    »Das klingt
aber nicht gerade begeistert. Du freust dich doch sonst so auf die zwei. Das sind
doch die beiden einzigen, die du nicht spießig findest. Außer Jule natürlich. Aber
die könnten wir doch auch dazu einladen.«
    Das war
eine Falle, das war sonnenklar. Von mir aus, du hinterhältiges Aas. Diese Posse
kannst du haben.
    »Aber nur
unter einer Bedingung.«
    »Und die
wäre?«
    »Dass du einlädst und dass du einkaufst. Ich habe zu schreiben.«
    »Wie Madame
wünschen.«
     
    Alle sagten zu. Alle kamen. Beziehungsweise,
es kam auch noch ein Überraschungsgast.
    »Hallo,
Leute! Ihr habt doch

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