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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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dritten Tag in ein Fass Beaujoulais fallen, in dem ich beinahe ertrank, wenn nicht meine Sägespäne für einen guten Auftrieb gesorgt hätten. Ich stieg wieder an die Oberfläche, nachdem ich ein ausführliches Bad in der dunkelroten Brühe genommen hatte. Sagte ich übrigens, wie sehr ich Bäder verabscheue?
    Der alte Brioche, der eigentlich gar nicht so alt war (ungefähr meine Kragenweite, vielleicht drei oder vier Jahre älter), sondern nur so aussah, weil er so viel von seinem Wein probierte und das Leben ansonsten nicht besonders mochte, fischte mich heraus, warf mich seiner kleinen Lucille mit einem Platsch vor die Füße und sagte:
    »Im Keller wird nicht gespielt, wie oft soll ich das noch sagen?«
    »Ja, Papa«, flüsterte die Kleine.
    Um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, verpasste er ihr noch eine Ohrfeige, dass ihre kleinen Zöpfchen flogen und sie mich fast noch einmal fallen ließ. Dann wurde ich gewaschen – in kaltem Wasser und Seifenlauge. Doch der Geruch des Rotweins hing mir im Fell und der Hieb von Brioche in den Knochen. Wie konnte er sein Kind schlagen? Dieses kleine Wesen, das ihm nicht mal bis zum Bauchnabel reichte? Das Bild brannte in meinen Augen.
    Ich sah noch viel mehr in diesen Monaten. Mehr als ich wollte.
    Mein Fell wollte nicht trocknen. Der Wein hatte sich bis in die letzte meiner Fasern gedrängt und sich dort festgesetzt. Ich fing an zu riechen. So sehr, dass ich aus Lucilles Zimmer verbannt und in die Vitrine gesetzt wurde.
    Vielleicht können nicht viele Bären von sich behaupten, in einem Weinfass gebadet zu haben. Aber, um ehrlich zu sein, ich hätte lieber darauf verzichtet und weiterhin neben Lucilles Bett gesessen. Sie war nämlich ein Mädchen, das einen Begleiter wie mich durchaus nötig gehabt hätte. Doch das merkte außer mir niemand.
    Der alte Brioche hatte nur eine einzige Leidenschaft: seinen Wein. Er pflegte seine Reben mit Sorgsamkeit und ließ niemand anderen in die Nähe der Weinstöcke. Hatten sie eine Krankheit, erkannte er sie, lange bevor sie Schaden anrichten konnte; drohte ein Unwetter, konnte er vor Sorge um die Ernte kaum schlafen; zur Lese liebkoste er jede Traube einzeln zwischen seinen großen Fingern, um ihre Unversehrtheit zu prüfen. Doch wenn seine Tochter krank war, sagte er einfach, sie solle sich nicht so anstellen; wenn der Familie wieder einmal der finanzielle Ruin drohte, schlief er tief und fest, und seine Frau liebkoste er, so weit ich das beurteilen konnte, überhaupt nie.
    Ich konnte diese Lieblosigkeit kaum aushalten. Es zerriss mir schier das Herz, wenn ich sah, wie sich Marie Brioche die Tränen verbiss, sobald ihr Mann sich wieder über das Essen beschwerte, und wie sich Lucille duckte, wenn ihr Vater eine plötzliche Bewegung machte. Beide waren unendlich bemüht, es ihm recht zu machen, und ernteten dafür nichts als Ablehnung.
    Heute denke ich manchmal, dass er einfach nicht anders konnte. Vielleicht wusste er nicht, wie sich Liebe anfühlt, vielleicht hatte er nie gelernt, nett zu sein. Doch das half Marie und Lucille wenig, die sich beide ohne Murren in ihr Schicksal fügten. Und auch da ist mir im Laufe der Jahre der Verdacht gekommen, dass sie möglicherweise gar nicht mehr von ihrem Leben erwartet haben. Vielleicht dachten auch sie, es müsste so sein.
    Lucille war ein liebes Mädchen, sie streichelte mich und flüsterte mir Geheimnisse ins Ohr. Sie nannte mich »Teddy« und liebte mich.
    »Weißt du, Teddy, ich habe dich so lieb«, sagte sie eines Abends und sah mich mit großen Augen an. »Viel lieber als Papa oder Maman.«
    Das hatte mir noch niemand gesagt. Erst wurde ich verlegen, dann traurig. War es nicht schade, dass es in ihrem Leben keine größere Liebe gab als mich?
    Ich war vierunddreißig Jahre alt und erlebte in diesem Jahr eine heftige Sinnkrise. Nicht die erste, wie ich zugeben muss, während meiner Jahre andauernden Odyssee von England nach Paris damals in den Dreißigern hatte ich mich schon einmal gefragt, warum mich nicht irgendjemand endgültig entsorgte, dass dieses sinnlose Herumreichen endlich ein Ende hätte. Doch mit Robert hatten sich diese Gedanken in Luft aufgelöst.
    Damals hatte ich mich sinnlos und überflüssig gefühlt, doch nun, nach alldem, was ich erlebt hatte, verspürte ich eher Resignation und Machtlosigkeit.
    Ich konnte nicht vermeiden, dass der Alte die kleine Lucille schlug, und nicht die Sehnsucht stillen, die in jeder Minute aus dem Mädchen sprach.
    Ich war eben nur ein

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