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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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ein großes Herz, nur leider ein bisschen zu häufig Kopfschmerzen.
    Als auch seine Pfeife ausgegangen und das Feuer im Kamin niedergebrannt war, klappte Victor sein Buch zu, und ich blieb allein zurück. Von der Straße fiel das gelbe Licht der Straßenlaternen herein, und ich saß auf einem Brokatkissen in einer Sofaecke und kam endlich dazu, ein wenig nachzudenken.
    Was für ein Tag, welch eine Aufregung! War es wirklich erst heute Morgen gewesen, dass Alice und ich die Tür unserer Wohnung in der Manvers Street in Bath hinter uns verschlossen hatten? Nur ein Tag – und doch fühlte er sich an wie eine ganze Woche. Ich hatte mir bislang noch nicht viele Gedanken über Zeit gemacht. Warum auch? Die Tage begannen, wenn Alice die Treppe hinunterkam, um Tee zu kochen, und endeten, wenn sie das Licht ausdrehte, um zu Bett zu gehen. Dazwischen lagen Stunden des Nachdenkens und der Gespräche, ich schaute aus dem Fenster und betrachtete das Leben. Gelegentlich war Besuch gekommen, der Postbote oder eine Aufwartefrau oder manchmal der Tierarzt, wenn der grässliche Tiger sich mal wieder ein Barthaar verstaucht hatte – doch mir dämmerte langsam, dass unser Leben tatsächlich ziemlich ereignislos gewesen sein musste, wenn man in der gleichen Zeit so viel erleben konnte. Zum ersten Mal beschlich mich dieses merkwürdige Empfinden, dass Zeit durchaus relativ sein könnte.
    Die Nacht senkte sich herab, auch auf der Straße kehrte Ruhe ein.
    Was Alice jetzt wohl machte? Ob sie traurig darüber war, dass sie mich verloren hatte? Sicher hatte sie den ganzen Bahnsteig nach mir abgesucht. Die gute Alice mit ihrer großen einsamen Liebe im Herzen und ihrer überwältigenden Sehnsucht. Ich durfte gar nicht daran denken, dann wurde mir ganz beklommen zumute. Zäh kam mir zu Bewusstsein, dass Alice wirklich aus meinem Leben verschwunden war. Ich hatte sie am Bahnhof hinter mir gelassen, an einem Ort, wo vieles endet und vieles beginnt. Vielleicht war es ja richtig so, vielleicht sollte es so sein. Doch es fiel mir schwer, das zu akzeptieren.
    Das Letzte, was ich spürte, bevor mich die Erschöpfung überkam, war ein dumpfer Schmerz in meiner Brust.
    Es muss noch mitten in der Nacht gewesen sein, als die Kinder in ihren Schlafanzügen auf Zehenspitzen in den ausgekühlten Salon geschlichen kamen. Die Tür knarrte, ein Luftzug fuhr herein, und zwei kleine Gestalten drückten sich eilig ins Zimmer.
    Ich kann sie verstehen. Es geht eine ganz eigenwillige Magie von Weihnachtszimmern aus. Der Duft nach Kerzen und Zimtgebäck und eine feierliche Stimmung hängen in der Luft.
    Sie kamen zum Sofa und bauten sich vor mir auf. Ich stellte mich schlafend. Irgendwie hatte ich immer noch ein bisschen Angst vor ihnen. Sie waren zwar klein, schienen aber trotzdem über so viel Kraft zu verfügen. Außerdem hatte ich den Eindruck, sie seien unberechenbar.
    Ein Eindruck, der nicht trog.
    Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass man sich besser nicht darauf verlässt, dass ein Wort von gestern heute noch gilt. Kinder funktionieren nach ihren eigenen Regeln. Und das nicht aus Trotz, scheint mir, sondern weil die Glücklichen noch frei sind von äußeren Zwängen. Eigentlich so wie ich.
    »Er sieht aus, als ob er schläft«, sagte Lili.
    »Bären schlafen nicht«, sagte Leo.
    »Sie schlafen sogar sehr viel«, sagte Lili, »sie halten Winterschlaf.«
    »Aber das ist ein Teddybär, der braucht keinen Winterschlaf.«
    »Was weißt du denn über Teddybären? Wir hatten doch noch nie einen.«
    Lili sah mich noch einmal prüfend an, dann nahm Leo mich in die Hand und wir ließen uns in stiller Eintracht auf dem Teppich vor dem Kamin nieder, in dem nur noch die Asche vom Vorabend lag. Die beiden widmeten sich ihren Geschenken, und ich schaute ihnen dabei zu.
    Leo drehte mit den Fingerspitzen langsam an einer großen blauen Kugel mit braunen und grünen Flecken darauf. Versonnen betrachtete er die einzelnen Stellen.
    »Das ist Amerika«, sagte er und zeigte auf einen großen Fleck. »Und das ist Afrika. Und das ist Indien. Und das gehört alles zu England.«
    »Stimmt ja gar nicht«, erwiderte Lili, ohne von ihrem Buch aufzusehen. »Amerika nicht.«
    »Aber Afrika.«
    »Ist doch langweilig, so ein Klobus«, ärgerte Lili. »Klo-Bus.«
    »Das heißt Globus, du dumme Pute. Außerdem ist er immer noch besser als dein blödes Buch«, ärgerte Leo zurück.
    »Ich werde wenigstens schlau. Außerdem sollst du nicht immer fluchen, hat Mum gesagt.«
    »Ich bin schon

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