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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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überschwänglich begrüßte und sie ermahnte, sich den norwegischen Bürgern gegenüber korrekt zu verhalten und ihre geistige wie moralische Überlegenheit nicht zu demonstrieren, sondern vielmehr ganz im Gegenteil bescheiden aufzutreten. Anschließend rief er die Männer einzeln zum Vortreten auf.
    Schmitz, Hänsgen und Meier traten vor, dann rief der Spieß:
    »Gefreiter Ballhaus!«
    Sofort war der Friedrich aus Paris zurück. Während der Urlaubstage in Köln war er völlig verschwunden gewesen, doch nun tauchte er wieder auf. Gefreiter Ballhaus, 69. Infanteriedivision der deutschen Wehrmacht mit Uniform und unbedingtem Gehorsam. Es fiel mir inzwischen ein wenig leichter, das auszuhalten. Aber nur ein wenig. Er salutierte in seiner metallenen »Heilittla«-Stimme.
    »Ballhaus. Sie kommen zum Haugom-Gård. Zwei Kilometer von hier, immer den Berg rauf, der zweite Hof auf der linken Seite. Dunkles Haupthaus, nicht zu übersehen. Abtreten.«
    »Jawoll, Herr Kompaniefeldwebel.«
    »Heilittla!«
    »Heilittla, Herr Kompaniefeldwebel.«
    Ich sehnte mich nach etwas, um mir die Ohren zu verstopfen. Ich konnte dieses Gebrüll nicht ertragen. Immer der gleiche Übelkeit erregende Ton.
    Kaum eine halbe Stunde später, Friedrich hatte sich dem Schnaufen nach ziemlich bergauf gequält, hörte ich, wie er an eine Tür klopfte. Dann war eine Weile nichts weiter zu hören, außer Friedrichs rasselndem Atem, plötzlich der Schrei eines Vogels, dann wieder Stille. Friedrich klopfte noch einmal.
    Da erklang von hinten die Stimme einer Frau:
    » Værsågod?«
    Friedrich fuhr herum.
    »Guten Tag«, sagte er und zog rasch seine Mütze vom Kopf. »Ich bin Gefreiter Friedrich Ballhaus. Ich habe bei Ihnen Quartier.«
    Überrascht horchte ich auf. Was hatte das zu bedeuten?
    »Ich verstehe nicht Deutsch«, sagte die Frau.
    »Ich bin Friedrich.«
    »Ah. Ich Ingvild.«
    »Ingvild«, wiederholte er.
    »Diese Haus«, sagte sie. »Befehl von Deutsche.«
    »Ja. Ich habe bei Ihnen Quartier.«
    »Diese Haus«, wiederholte sie.
    »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen. Wirklich. Tausend Dank.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte die Frau.
    »Danke«, wiederholte Friedrich.
    Ich hörte, wie er in einem Buch blätterte. Vermutlich der Baedeker, den er, seit wir Oslo erreichten, nicht mehr aus der Hand gelegt hatte.
    »Takk«, sagte er dann nach einer Weile.
    Die Frau schwieg.
    Friedrich bezog das Gesindehaus auf dem Hof der Familie Haugom. Nachdem Ingvild ihm den Weg gewiesen und die Tür geöffnet hatte, war sie wortlos verschwunden.
    Friedrich packte aus. Ich saß zuoberst.
    Natürlich hatte er mich längst gefunden. Und er hatte sich sehr gefreut, mich zu sehen.
    Schon im Zug hatte er den Rucksack aufgeschnürt, um das Foto von Marlene hervorzuholen, das sie vor seiner Abreise noch schnell hatte machen lassen.
    »Du kannst doch nicht mit dem ollen Bild reisen«, hatte sie gesagt, als sie ihm eine blaue Klappkarte mit ovalem Bildausschnitt überreichte. »Sonst erkennst du mich ja gar nicht mehr, wenn du wiederkommst, und wir müssen Sie zueinander sagen.«
    »Ach, mein Liebchen«, hatte Friedrich geantwortet und ihr über das Haar gestrichen. »Mein Liebchen.«
    Und Marlene hatte tief Luft geholt und gesagt: »Nicht doch, meine Frisur wird ja ganz ruiniert. Und wenn du nicht aufhörst, geht meine Schminke auch dahin.«
    Auf dem Bild sah sie makellos aus. Ihre Augen leuchteten hoffnungsfroh.
    Doch anstelle seines Tagebuchs, in das er die Karte gewissenhaft gelegt hatte, hatte Friedrich zuoberst im Rucksack mich gefunden.
    »Mensch, Ole!«, entfuhr es ihm. Schnell schaute er sich um, ob ihn jemand gehört hatte. Dann sagte er leise: »Ole. Wie schön.«
    Spätestens in diesem Moment habe ich mich wirklich dazu entschieden, Friedrich meinen Freund zu nennen. Es war eben Liebe auf den dritten oder vierten Blick. Gibt es doch auch.
    Ich wünschte, Marlene hätte dieses Strahlen auf seinem Gesicht sehen können. Und ich wünschte, er hätte das Strahlen auf meinem Gesicht sehen können. Es fühlt sich nicht schlecht an, eine gelungene Überraschung zu sein, sogar unter diesen Umständen.
    Natürlich hatte er auch gleich den kleinen Brief entdeckt, den sie an dem Band befestigt hatte, das meinen Bauch zierte, wie eine Banderole eine teure Havanna. Vorsichtig hatte er ihn gelöst, kleingefaltet und war auf die Toilette verschwunden. Ich habe nie erfahren, welche Botschaft Marlene mir mitgegeben hatte, aber es muss eine gute gewesen sein, denn Friedrich las

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