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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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den Friedensvertrag von Trianon verloren gegangene Oberungarn geschenkt hatte. Nein: Wenn es Krieg gab, würde Andras sich der Fremdenlegion anschließen und für Frankreich kämpfen. Er stellte sich vor, wie er in der ganzen Pracht einer Paradeuniform vor Klara trat, ein Schwert an seiner Seite, die Knöpfe des Mantels zu stechendem Glanz poliert. Sie würde ihn anflehen, nicht in den Krieg zu ziehen, er würde antworten, er habe keine Wahl – er müsse die Ideale Frankreichs, die Stadt Paris und Klara selbst verteidigen.
    Doch im Mai verdrängten zwei unerwartete Ereignisse die nahende kriegerische Auseinandersetzung aus Andras’ Bewusstsein. Das erste war eine Tragödie: Ben Yakovs Frau verlor das Kind, das sie seit fünf Monaten trug. Es war Klara, die in Ben Yakovs Wohnung ging und sich um Ilana kümmerte, Klara, die einen Arzt holen ließ, als sie Ilana blutend und fiebernd vorfand. Im Krankenhaus warteten Klara und Andras mit Ben Yakov auf einem langen, lineoleumbelegten Gang mit Bildern französischer Ärzte an den Wänden, während ein Chirurg Ilanas Schoß aushöhlte. Ben Yakov saß in perplexem Schweigen da, immer noch in seinem Pyjamahemd. Andras wusste, dass er sich die Schuld gab. Er hatte das Kind nicht gewollt. Erst vor einer Woche hatte er es ihnen gestanden, spätnachts im Atelier, als sie an einer Aufgabe für den Statikkurs arbeiteten. »Ich bin dem nicht gewachsen«, hatte er gesagt und seinen Sechskantbleistift auf den Rand des Schreibtischs gelegt. »Ich kann kein Vater sein. Ich kann kein Kind ernähren. Wir haben kein Geld. Und die Welt fällt zusammen. Was ist, wenn ich in den Krieg ziehen muss?«
    Andras hatte damals an Klaras Schoß gedacht, an jenen heiligen Ort in ihr, den sie unter großen Anstrengungen leer hielten. Er hatte sich zwingen müssen, eine verständnisvolle Antwort zu geben. Am liebsten hätte er Ben Yakov gefragt, warum er Ilana di Sabato geheiratet habe, wenn er doch kein Kind wolle. Jetzt schwebte das Thema in der antiseptischen Luft des Ganges: Ben Yakov hatte das Kind fortgewünscht, und jetzt war es nicht mehr da.
    Vor den Krankenhausfenstern hatte der bevorstehende Morgen den östlichen Rand des Himmels blau gefärbt. Klara war erschöpft, sah Andras. Ihr Rücken, den sie sonst so gerade hielt, war vor Müdigkeit eingefallen. Er sagte ihr, sie solle nach Hause gehen, versprach, er würde zu ihr kommen, nachdem sie mit dem Arzt gesprochen hatten. Andras bestand darauf: Sie musste um neun Uhr am Morgen Unterricht geben. Klara sträubte sich, wollte so lange bleiben wie nötig, doch schließlich überredete Andras sie, nach Hause zu gehen und zu schlafen. Sie verabschiedete sich von Ben Yakov, und er dankte ihr dafür, das Richtige getan zu haben. Beide Männer sahen ihr nach, wie sie durch den Korridor davonging und ihre Schuhe einen leisen Rhythmus auf das Linoleum klickten.
    »Sie weiß es«, sagte Ben Yakov, als Klara um die Ecke verschwunden war.
    »Was weiß sie?«
    »Sie weiß, wie ich über das Kind gedacht habe.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Sie kann mich kaum ansehen.«
    »Das bildest du dir ein«, sagte Andras. »Ich weiß, dass sie eine Menge von dir hält.«
    »Sollte sie besser nicht.« Ben Yakov drückte die Finger an die Schläfen.
    »Es ist nicht deine Schuld«, sagte Andras. »Niemand glaubt das.«
    »Aber wenn ich das glaube?«
    »Stimmt es trotzdem nicht.«
    »Was ist, wenn sie es glaubt? Ilana, meine ich?«
    »Das ändert die Sache auch nicht. Außerdem wird sie das nicht denken.«
    Als der Arzt fertig war, schoben zwei Krankenpfleger Ilana auf einer Trage hinaus und brachten sie in einen Krankensaal, wo sie in ein Bett gehoben wurde. Andras und Ben Yakov standen daneben und sahen ihr beim Schlafen zu. Ihre Haut war durch den Blutverlust wachsweiß, ihr dunkles Haar aus der Stirn geschoben.
    »Ich glaube, ich werde ohnmächtig«, sagte Ben Yakov.
    »Setz dich besser hin«, riet ihm Andras. »Willst du Wasser haben?«
    »Ich will mich nicht setzen. Ich sitze schon seit Stunden.«
    »Dann mach einen Spaziergang. Geh an die frische Luft!«
    »Dafür bin ich kaum richtig angezogen.«
    »Na, los! Es wird dir guttun.«
    »In Ordnung. Bleibst du hier bei ihr?«
    Andras versprach, sich nicht von der Stelle zu rühren.
    »Nur ein paar Minuten«, sagte Ben Yakov. Er stopfte sein Pyjamahemd in die Hose und ging die lange Allee von Betten entlang. In dem Moment, als er durch die Tür des Krankensaals verschwand, stieß Ilana einen immer lauter werdenden

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