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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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vorbeifahre und auf Damens zuhalte.
    Ich habe schon fast die Hügelkuppe erreicht, als ich die nächste Straße auf meiner Liste sehe, und nachdem ich links abgebogen bin, und gleich darauf noch einmal nach links, halte ich am Ende seines Blocks, schalte den Motor aus und merke, dass mir jeglicher Mut abhandengekommen ist.
    Ich meine, was für eine Psycho-Freundin bin ich eigentlich? Welcher klar denkende Mensch würde auch nur auf den Gedanken kommen, seine tote kleine Schwester einzuspannen, damit sie ihm hilft, dem eigenen Freund hinterherzuschnüffeln? Allerdings ist ja nichts in meinem Leben auch nur im Entferntesten normal, warum sollte es sich mit meinen Beziehungen also anders verhalten?
    Ich sitze in meinem Auto und konzentriere mich auf meinen Atem, bemühe mich, ruhig und langsam zu atmen, ungeachtet der Tatsache, dass mein Herz wie wild pocht und meine Handflächen schweißnass sind. Und während ich mich in dieser sauberen, ordentlichen, wohlhabenden Wohngegend umsehe, wird mir klar, dass ich mir keinen ungeeigneteren Tag hierfür hätte aussuchen können.
    Erstens ist das Wetter heiß, sonnig und wunderbar, was bedeutet, dass jedermann entweder mit dem Fahrrad unterwegs ist, seinen Hund ausführt oder im Garten arbeitet, woraus sich so ziemlich die ungünstigsten Bedingungen fürs Spionieren ergeben, die man sich nur wünschen könnte. Und zweitens habe ich mich während der ganzen Fahrt nur darauf konzentriert, herzufinden, und gar nicht darüber nachgedacht, was ich dann machen werde, daher ist es nicht etwa so, als hätte ich einen Plan.
    Allerdings spielt das wahrscheinlich sowieso keine große Rolle. Ich meine, was ist das Schlimmste, was passieren könnte? Ich werde erwischt, und Damen bestätigt, dass ich nicht ganz rund laufe? Nach meiner verzweifelten, hilfsbedürftigen Klammernummer heute Morgen denkt er das wahrscheinlich ohnehin schon.
    Ich steige aus und gehe auf sein Haus zu, das Haus ganz am Ende der Sackgasse, mit den Tropenpflanzen und dem gepflegten Rasen. Aber ich schleiche mich nicht an oder tue sonst irgendetwas, das unerwünschte Aufmerksamkeit erregen würde, ich schlendere einfach so dahin, als hätte ich alles Recht der Welt, hier zu sein, bis ich vor der großen, zweiflügeligen Haustür stehe und überlege, was ich als Nächstes tun soll.
    Ich trete einen Schritt zurück und schaue zu den Fenstern hinauf. Rollos heruntergelassen, Vorhänge zugezogen, und obwohl ich keine Ahnung habe, was ich sagen werde, beiße ich mir auf die Lippe, drücke auf die Klingel, halte den Atem an und warte.
    Doch nachdem ein paar Minuten vergehen, ohne dass sich etwas tut, klingele ich noch einmal. Und als er sich noch immer nicht rührt, drehe ich den Knauf, stelle fest, dass die Tür abgeschlossen ist, und gehe dann den Gartenweg entlang. Rasch vergewissere ich mich, dass mich keiner der Nachbarn beobachtet, als ich durch das Seitentor schlüpfe und mich zur Rückseite des Hauses schleiche.
    Ich halte mich dicht an der Hauswand und würdige den Pool, die Pflanzen und die erstaunliche Aussicht kaum eines Blickes, als ich geradewegs auf die Schiebetür zusteuere, die natürlich ebenfalls abgeschlossen ist.
    Und dann, gerade, als ich aufgeben und nach Hause fahren will, höre ich diese Stimme in meinem Kopf drängend sagen: das Fenster, neben dem Spülbecken. Und tatsächlich ist es einen Spalt offen, gerade genug, dass ich die Finger hineinzwängen und es ganz hochschieben kann.
    Ich stemme die Hände auf das Sims und bringe meine gesamte Kraft auf, um mich hineinzuhieven. Und in dem Augenblick, wo meine Füße auf dem Boden landen, habe ich offiziell eine Grenze überschritten.
    Ich sollte nicht weitermachen. Ich habe kein Recht, das hier zu tun. Ich sollte sofort wieder hinausklettern und zu meinem Auto laufen. Zu meinem sicheren, stillen Zuhause zurückfahren, solange ich noch kann. Doch die kleine Stimme in meinem Kopf treibt mich an, und da sie mich schon so weit gebracht hat, kann ich wohl genauso gut schauen, wohin sie mich führt.
    Ich erkunde die große, leere Küche, das kahle Wohnzimmer, das Esszimmer, in dem weder Tisch noch Stühle stehen, und das Badezimmer, in dem nur ein kleines Stück Seife und ein einziges schwarzes Handtuch zu finden sind. Und ich denke, dass Riley Recht hatte - dieses Haus ist leer, auf eine unheimliche, verlassene Art und Weise. Keine persönlichen Erinnerungsstücke, keine Fotos, keine Bücher. Nichts als dunkle Dielenböden, Wände in gebrochenem Weiß,

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