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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Holzgestell hingen verblichene, oft geflickte Fischernetze. Jeden Moment könnte jemand aus der niedrigen Hintertür treten. Aber Ole ging ungerührt am Zaun vorbei und bog auf einen schmalen Pfad ein, der um das Haus führte.
    Am Saum eines sandigen, kleinen Platzes, noch im Schatten der Hauswand, blieb er stehen. In der Mitte des Platzes wurzelte eine ausladende Eiche und warf ihren Schatten in den Staub, gegenüber schwappte schon der See ans Ufer. Ein langer, dunkler Holzsteg führte auf das Wasser hinaus, an seinen Flanken waren kleine Boote vertäut, ein paar dünne Masten schwankten sanft hin und her.
    Jonas war es, als machte sich, weit hinten am Steg, jemand in einem der Boote zu schaffen, aber er war sich nicht sicher und wurde auch gleich abgelenkt. Von rechts, von der Front des Häuschens, kam ein Kratzen und Schaben. Es kam näher, bis es schließlich ganz nah war, und dann puffte, in Kniehöhe, ein Wölkchen Staub auf. Danach entfernte sich das Geräusch mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der es sich genähert hatte.
    Sie standen ganz still, alle beide. Das Schaben und Kratzen kam wieder näher, erneut stob der Staub auf und vermengte sich dann mit dem Sand zu Jonas’ Füßen. Mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks zog das Geräusch wieder von dannen.
    Was um Himmels willen war das?
    »Schau mal um die Ecke«, flüsterte Ole Mond. »Jetzt!«
    Jonas wurde es heiß und kalt. Eigentlich traute er sich nicht, aber Ole drängte, und so legte er doch beide Hände an die Hauswand, streckte den Kopf vor und riskierte einen schnellen Blick. Vor dem Haus schwang eine Frau den Besen, es waren seine Borsten, die kratzend und schabend über den Boden strichen. Dabei war der Platz, den die Frau fegte, nicht einmal gepflastert. Der Sand stob bloß auf und legte sich wieder. Die Frau trug einen langen, weiten Rock und eine Haube und sah nicht ein einziges Mal auf. Wie ein Automat ging sie ihrer sinnlosen Arbeit nach. Vor fegte sie und zurück, vor und zurück, und Jonas und Ole flüsterten nur miteinander, sobald sie sich wieder entfernte.
    »Was macht sie da?«, raunte Jonas.
    Ole grinste frech. »Eigentlich gar nichts. Und jetzt schau mal da.«
    Quer über den sandigen Platz schob ein Mann eine Karre vor sich her. Er sah wie ein Bauer aus, trug eine Mütze über dem farblos braunen Haar und hatte um seinen Hosenbund einen Strick geknotet. Seine Karre war leer. Er schob sie an der Eiche vorbei und verschwand dann langsam aus dem Blickfeld. Solange er konnte, starrte Jonas auf sein Gesicht und doch fiel es ihm schwer, es sich zu merken. Zwar erkannte er unter dem Mützenschirm eine Nase, einen Mund und eine Augenpartie, aber die Nase war eine Allerweltsnase, der Mund ein Allerweltsmund und die Augen waren ausdruckslos. Es würde schon die Karre und den seltsamen Gürtel brauchen, um diesen Mann wiederzuerkennen.
    Jonas warf noch einen Blick um die Ecke. Die Frau in ihrem Kranz aus Staub war unermüdlich.
    Dann kam der Bauer wieder. Er nahm denselben Weg zurück, seine Karre war immer noch leer.
    Jonas rieb sich die Augen. Er kam sich vor wie in einer Schleife, so, als drehte jemand eine Uhr zurück, immer wieder, und immer wieder geschähe dasselbe.
    »Sind sie …«, fragte er schließlich und suchte den richtigen Ausdruck, »… lebendig ?« Wahrscheinlich war es das falsche Wort.
    Ole wiegte den Kopf hin und her. »Ja, schon«, flüsterte er. »Wenn jetzt die Kaiserin käme, würden sie auf den Platz rennen und jubeln und Blumen werfen und so. Und wenn sie uns bemerken würden, kämen sie auch angerannt. Sie sind ziemlich misstrauisch. Ich meine, wenn etwas anders ist als sonst. Trabanten eben. Sie haben nicht mal Namen, weißt du?«
    Jonas wartete ab, bis sich der Besen wieder entfernte. »Aber die Soldaten, die waren doch …«
    »Ja, ja«, unterbrach ihn Ole ungeduldig. »Das habe ich dir doch schon erklärt. Die sind besser. Aber da war ja auch Grimbert dabei, der General. Der ist kein Trabant. Aber wenn er nicht dabei ist, also … ich habe schon Trabantensoldaten gesehen, die stur geradeaus durch einen Bach gelaufen sind, obwohl es gleich nebenan eine Brücke gab.«
    Der Bauer kam wieder vorbei, dann mussten sie warten, bis der Besen kehrtmachte.
    Ole zeigte auf die Insel im See. »Da liegt das Schloss«, sagte er.
    »Im See?«
    »Hm-m. Auf der Insel. Wir brauchen ein Boot.« Ole spähte zum Steg hinüber. »Wir müssen aber den richtigen Moment abwarten. Da am Steg, in einem Boot, ist noch einer. Hast

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