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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Aufmerksamkeit hatte Eva ihm gelauscht, dabei war es ihr herzlich gleichgültig, ob dieser Bischofsdom, dessen Portal dem einfachen Mann ohnehin verschlossen war, nun fertig war oder nicht oder ob die Baiern der freien Reichsstadt mit ihren Zöllen die Luft abschnürten. Sie war bester Stimmung, und als sie nach dem Gespräch auf die Kramgasse hinaustrat, bemerkte sie, dass heute erstmals seit langem wieder die Sonne an einem wolkenlosen Himmel schien. Ihre Hoffnung hatte nicht getrogen, einmal mehr hatte sich erfüllt, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte: Der Tuchhändler höchstselbst wollte sie verlegen! Gleich am nächsten Tag solle sie probehalber ein Wams aus einfachstem Stoff zuschneiden und dazu nur sorgfältig ihr Werkzeug durchgehen. Was sie noch benötige, werde er ihr beschaffen.
    In ihrer kleinen Kammer holte sie alles, was sie an Werkzeug und Utensilien besaß, aus ihrem Ledersack und breitete es auf dem Bett aus. Zuletzt zog sie aus dem untersten Grund des Beutels etwas, das sie längst aus ihrer Erinnerung gebannt hatte: das zierliche Jagdhütchen von Moritz! Als ob einer in eine vergessene Glut geblasen hätte, loderte es plötzlich in ihrem Herzen auf, das alte Feuer der Liebe und zugleich der qualvollen Enttäuschung. Mit zittrigen Händen legte sie den Hut in die offene Holztruhe. Was sollte sie nur damit anfangen? Ihn wegzuwerfen, brachte sie nicht übers Herz, dazu war er zu kostbar. Aber verkaufen mochte sie ihn auch nicht. Sie hätte ihn Kathrin zum Abschied schenken sollen!
    Wütend warf sie ein altes Tuch darüber. Sie wollte nicht mehr erinnert werden an diesen Schelm von Moritz, an diesen Spitzbuben, der sie so niederträchtig hintergangen hatte. Allein dieser Brief, den er dem alten Ährenfelser geschrieben hatte –Eva hatte die demütigenden Worte noch genau vor Augen: «Sie stellt sich in Liebesdingen wahrlich nicht ungeschickt an.» Darunter der Name des von ihr so geliebten Mannes in schwungvoller Schrift.
    Und dann, ganz plötzlich, sah sie den alten Regensburger Zunftmeister vor sich, wie er ihre Papiere geprüft hatte, und ein einziger Satz hallte in ihren Ohren wie die Saite einer Fiedel, die immer wieder aufs Neue angeschlagen wird: «Ganze Briefe lassen sich fälschen!»
     
    Am nächsten Morgen erwachte sie mit schmerzendem Kopf. Die halbe Nacht hatte der Gedanke sie wachgehalten, dass der alte Ährenfelser diesen unsäglichen Brief selbst geschrieben haben könnte. Dass das Ganze nichts als ein teuflischer Betrug gewesen war, nicht nur an ihr, sondern auch an Moritz. Warum aber hatte Moritz dann nichts unternommen, sie aus den Fängen seines Vaters und dessen Hofmeister zu retten?
    Verwirrt marschierte sie hinüber in das Kaufmannsviertel. Die Winklmairs gehörten nicht zu den zwei, drei Handvoll Patrizierfamilien, die rund um den Haidplatz ihren unermesslichen Reichtum mit zinnenbewehrten Türmen und Palästen kundtaten. Das Anwesen des Tuchhändlers hielt sich bescheiden im Hintergrund, war aber dennoch stattlicher und ansehnlicher als jedes Haus, das sie je betreten hatte – vom Herrenhaus der Ährenfelser einmal abgesehen. Es stand am Ende der schmalen Kramgasse, wo einst auch Barbara Blomberg gelebt hatte, die heimliche Geliebte Kaiser Karls. Erst nach dessen Tod vor wenigen Jahren hatte die Welt erfahren, dass er der Gürtlerstochter einen Sohn gezeugt hatte, der gleich nach der Geburt seiner Mutter entrissen und in ein geheimes Versteck nach Spanien gebracht worden war.
    Ob Kaiser, Edelmann oder Kaufmannssohn, dachte Eva jetzt,als sie durch die Kramgasse ging – es ist dasselbe: Das Weib ist dem Mann nichts als ein hübsches Spielzeug zur Zerstreuung, das man nach Belieben benutzen oder in die Ecke werfen darf. Moritz von Ährenfels war keinen Deut besser. Was sie sich da in der vergangenen Nacht zurechtgesponnen hatte, war nichtig und dumm!
    Ein Hausdiener ließ sie ein und führte sie in das Kontor von Alfons Winklmair. Der Hausherr selbst war unterwegs, sein Secretarius aber wusste Bescheid: Er notierte sich, was Eva an Material und Werkzeug noch benötigte, und überreichte ihr einen in braunes Papier eingeschlagenen Packen. Darin seien zehn Ellen grobes Baumwolltuch sowie ein fertiges Wams als Muster, erläuterte er ohne eine Spur von Freundlichkeit. Der Empfang desselben sei hier auf dieser Quittung zu bestätigen – sofern sie denn des Schreibens mächtig wäre. Übermorgen um dieselbe Zeit solle sie wiederkommen.
    Eva setzte mit schwungvollen Buchstaben

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