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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Anagarika Govinda genannt und lange Zeit in Indien gelebt hatte. »Er hat sich für den Buddhis mus interessiert und etliche Bücher darüber geschrieben. Später ist er dann nach Kalifornien gezogen und hat Gastvorlesungen an Unis gehalten. Als ich zwei war, starb er. Meinem Dad hat er ebenfalls den Namen Govinda gegeben. Das ist Sanskrit und heißt eigentlich Krishna. Krishna war ein Kuhhirte.«
    »Und wie ist dein Nachname?«, fragte Julia.
    »Hofmann«, antwortete Ian achselzuckend.
    Sie lachte kopfschüttelnd. Die Sonne brannte auf ihren Schultern und den nackten Armen. Die Khakihose hatte sie längst in Shorts verwandelt, ihre Jacke trug Julia um die Hüften gebunden. Zum Glück hatte Ian daran gedacht, eine Flasche Wasser mitzunehmen.
    Das Pinienwäldchen schien überhaupt nicht näher zu kommen. Aber es machte Spaß, mit Ian zu plaudern. Julia hatte sich lange nicht mehr so leicht gefühlt wie in diesem Augenblick. Irgendwann rückten die Bäume dann doch näher. Zwischen dem dunklen Grün der Pinien entdeckte sie halb zerfallene Hütten. Zielstrebig steuerte Ian auf eine davon zu.
    »Soll das etwa die Überraschung sein?«, fragte Julia enttäuscht.
    »Hey, das hier ist eine Geisterstadt. Die ist bestimmt schon hun dert Jahre alt.« Er betastete die schäbige Holztür der Hütte mit einer Ehrfurcht, die Julia ein Lächeln entlockte. Natürlich, in Amerika gab es keine alten Kirchen und Kathedralen wie in Europa, keine mittel alterlichen Burgen oder Barockschlösser. Da war so eine Geister stadt, die aus einem Dutzend verfallener Holzhütten bestand, schon etwas Besonderes.
    »Was grinst du denn so?«
    Julia, die einen Blick durch das offene Fenster geworfen hatte, sag te: »Da wohnt noch jemand.«
    Ian machte ein verdutztes Gesicht und kam zu ihr herum, um ebenfalls in die Hütte zu schauen. Auf einer von Mäusen zerfresse nen Matratze lag einer der Männer, die am Vortag das Küchenzelt mit aufgebaut hatten. Er schlief tief und fest und nun begann er so laut zu schnarchen, dass die morschen Balken der Hütte gefährlich zitterten und Dreck von der Decke herabrieselte.
    Julia presste eine Hand auf ihren Mund, um nicht laut loszuprus ten. Sie schlichen sich davon, zu einer der nächsten Hütten.
    »Wer hat hier früher gewohnt?«, wollte sie wissen.
    »Ich nehme an, das waren Minenarbeiter.«
    »Wenn es stimmt, dass es im Bauch des Tenabo so viel Gold gibt, dann wird hier vielleicht bald eine neue Siedlung entstehen«, sagte Julia.
    »Ja. Und in fünfzig Jahren, wenn der Tenabo verschwunden ist, wird wieder eine Geisterstadt daraus geworden sein.«
    Der Gedanke, dass es den dunklen Berg eines Tages nicht mehr geben sollte, erschreckte Julia. Wie musste er dann erst die beiden Alten ängstigen, für die der Berg ein lebendiges Wesen darstellte? Jemand, der immer da gewesen war und ihnen ein Gefühl von Si cherheit gegeben hatte. Julia wusste, wie verloren man sich fühlte, wenn so jemand plötzlich nicht mehr da war.
    »Du siehst auf einmal so traurig aus«, sagte Ian und legte seine Hand unter ihr Kinn.
    »Ich musste an meinen Vater denken. Der Berg erinnert mich an ihn. Mein Vater war immer so etwas wie ein sicherer Ort für mich gewesen und nun ist er nicht mehr da.«
    Ian beugte sich zu Julia und gab ihr einen Kuss. »Ich will nicht, dass du traurig bist«, sagte er.
    Sie zog ihren Kopf nicht gleich zurück. Es war ein tröstender, ein angenehmer Kuss gewesen, aber dabei sollte es auch bleiben.
    »Lass uns wieder zu den anderen zurückgehen, okay?«, sagte sie leise.
    Er zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ich hab’s vermasselt, nicht wahr?«
    »Nein. Du hast alles richtig gemacht. Aber nun solltest du damit aufhören. Ich bin einfach noch zu durcheinander, um . . .«
    »Du musst das nicht erklären«, unterbrach er sie. »Ich habe schon verstanden.«
    Ian schwieg ganze drei Minuten. So lange brauchte er, um Julias Zu rückweisung zu verarbeiten. Dann erzählte er ihr von San Francisco und der Uni, an der er im Herbst zu studieren beginnen würde.
    »Ich will einen Abschluss in Filmregie machen. Ein oder zwei Aus landssemester in Deutschland sind auch eingeplant. Berlin«, sagte er und zwinkerte Julia zu. »Berlin ist eine echt coole Stadt.«
    »Warst du schon mal dort?«
    »Nein. Hab aber viel drüber gelesen. Ist Karlsruhe weit weg von Berlin?«
    »So ziemlich. Ich glaube, es sind fast 700 Kilometer.«
    »Macht nichts«, sagte er. »Ich werde dich auf jeden Fall besuchen.«
    Dabei strahlte er so

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