Die verborgene Seite des Mondes
und die Menschen waren begeistert von ihr. Sie vertrauen ihr. Aber die Wahrheit ist, dass sie giftiges Bleichmittel benutzt, um abzuspülen. Und ihre Wäsche steckt sie in den Trockner, obwohl Wind und Son ne das viel schneller erledigen könnten.«
Simon musste beinahe lächeln über Julias aufgebrachtes Gesicht. »Hast du gedacht, sie ist eine Heilige?«
»Nein. Aber ich war der Meinung, sie glaubt an das, was sie sagt.«
»Das tut sie. Sie kämpft und glaubt und lebt. Nur manchmal passt eines mit dem anderen nicht zusammen.«
»Warum verteidigst du sie?«
»Sie ist mein Boss und sie ist alt. V-ielleicht hat sie nicht immer al les richtig gemacht in ihrem Leben. Aber was sie auch getan hat, sie tat es in dem Glauben, dass es das Richtige ist. Deine Granny k-k kann fließend Shoshoni sprechen, wusstest du das?«
Missmutig schüttelte Julia den Kopf.
»Im F-rühjahr geht sie in die Berge, um Heilpflanzen zu sammeln wie unsere Vorfahren. Und im Herbst, zur Zapfenernte, klettert sie auf die Nusskiefern, um Pinienzapfen herunterzuschlagen. Deine Großmutter reitet Tobacco, den gefleckten Appaloosa-Hengst.«
Julia sah ihn ungläubig an. »Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte sie schließlich.
»Na ja,«, bemerkte Simon. »Du kennst sie ja auch erst seit ein paar Tagen.«
Nachdem sie die trockene Wäsche zusammengelegt und im Koffer raum verstaut hatten, tankte Simon bei Sam für 20 Dollar. Er kaufte ein Mountain Dew für sich und ein Wasser für Julia. Als sie Eldora Valley verlassen hatten und wieder auf der Schotterpiste zur Ranch waren, trat Simon auf die Bremse und hielt an.
»Willst du es lernen?«, fragte er . »Was? « »Autofahren. « Sie sah ihn mit großen Augen an . »Keine Angst, es k-k-kann nichts passieren. Ich sitze ja nebe n
dir.«
Sie wechselten die Plätze und Simon gab Julia Anweisungen. Ers ter Gang, die Kupplung langsam kommen lassen, leicht Gas geben. Der Ford machte einen Satz nach vorn und der Motor schwieg.
»Ich kann es nicht. « »N-ochmal, okay? « Die Gänge knirschten . »Die Kupplung richtig durchtreten. Und mach langsam, wir habe n
Zeit.«
Julia umkrampfte den Schaltknüppel und drückte mit aller Kraft. Da legte Simon seine Hand auf ihre, drückte leicht und schob den ersten Gang rein. Der Kombi begann zu rollen. Kupplung, wieder seine Hand, zweiter Gang. Den dritten schaffte sie alleine.
Es war ein tolles Gefühl, Herrin über diese störrische alte Blechkis te zu sein. Nach einer Weile hatte Julia sogar raus, wie man bremst, ohne nach vorn geschleudert zu werden. Es machte ihr Spaß zu fah ren und Simon saß lächelnd neben ihr.
Als vor ihnen am Straßenrand ein Fahrzeug auftauchte, bat er sie, langsamer zu fahren. Es war ein Lastwagen, der irgendwelche Me tallgestänge und Zementsäcke geladen hatte. Zwei Männer saßen in der Fahrerkabine und studierten eine Karte.
»Die sind v-on der Minengesellschaft«, sagte Simon erregt, als sie vorbei waren. »Wahrscheinlich wollen sie hier irgendwo einen
Bohrturm errichten.«
»Hier? So nah bei der Ranch?«
»Ja. Überall sind Goldadern. Wusstest du nicht, dass deine Großel tern auf einer Goldgrube sitzen?« Simon erzählte ihr, dass die Mi nengesellschaft Ada und Boyd mehrere Millionen Dollar für die Ranch geboten hatte. Die Grundstückspreise waren in den vergan genen zwanzig Jahren rasant gestiegen. Die Nachbarranch war vor zwei Jahren für vierzig Millionen Dollar an die Minengesellschaft gegangen.
Julia schwirrte der Kopf bei dem Gedanken an so viel Geld – das Hochgefühl war dahin.
»Du denkst, dass sie v-erkaufen sollten, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll. Das passt irgendwie alles nicht zusammen.«
»Dass sie arm sind und in ihren Schulden ersticken, obwohl sie reich sein könnten?«
Julia dachte über eine Antwort nach, als ihr plötzlich der Geruch von verbranntem Gummi in die Nase stieg.
Noch ehe sie etwas sagen konnte, riss Simon auch schon seine Knie zum Kinn und schrie: »Halt an!«
Vor Schreck trat sie aufs Gas statt auf die Bremse, der Wagen schoss nach vorn. Simon zog die Handbremse und der Ford kam quer zur Fahrtrichtung in einer Staubwolke zum Stehen. Mit einem Satz war er draußen, während Julia wie gelähmt auf die Flammen starrte, die an jener Stelle emporschossen, an der eben noch Si mons Füße gewesen waren.
Er sprintete um das Auto herum, riss die Fahrertür auf und zerrte Julia am Arm heraus. Beim Öffnen der Motorhaube verbrannte er sich die Finger. »Fuck!«
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