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Die verborgenen Fruechte

Die verborgenen Fruechte

Titel: Die verborgenen Fruechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Nin
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weißt du, und bei geschlossenen Augen fühlen sie sich alle mehr oder weniger gleich an. Manchmal jedoch, wenn es mir schwerfällt, nehme ich Drogen. Ich weiß natürlich, daß meine Karriere auf diese Weise ungefähr fünf Jahre dauern wird, und daß ich anschließend nicht mal mehr für eine junge Frau von großem Nutzen sein werde. Aber bis dahin bin ich zweifellos froh, wenn ich nie wieder eine Frau ansehen muß.
    Ich beneide meinen argentinischen Freund, meinen Wohnungsgenossen. Ein gut aussehender, aristokratischer Mann, absolut saft- und kraftlos. Frauen würden ihn wahrscheinlich lieben. Wenn ich unsere Wohnung verlasse, weißt du, was er dann tut? Er erhebt sich vom Bett, holt ein kleines, elektrisches Bügeleisen sowie ein Bügelbrett heraus, nimmt seine Hose und bügelt sie. Während des Bügelns stellt er sich vor, daß er untadelig gekleidet ein Haus verläßt, die Fifth Avenue entlangspaziert, irgendwo eine schöne Frau entdeckt, viele Häuserblocks weit dem Duft ihres Parfüms folgt und ihr in dicht besetzte Fahrstühle nachgeht, wo er sie beinahe berührt. Die Frau trägt immer einen Schleier und einen Pelz um den Hals. Ihr Kleid betont ihre Figur.
    Nachdem er ihr so durch die Geschäfte gefolgt ist, spricht er sie schließlich an. Sie sieht, wie sein hübsches Gesicht sie anlächelt, und bemerkt, wie chevaleresk er sich verhält. Die beiden gehen gemeinsam weiter, nehmen irgendwo den Tee und begeben sich dann in ihr Hotel. Sie fordert ihn auf, mit hinaufzukommen. Im Zimmer ziehen sie die Rouleaus herunter, legen sich hin und lieben sich im Dunkeln.
    Während mein Freund sorgfältig, gewissenhaft seine Hose bügelt, stellt er sich vor, was er mit dieser Frau macht – und das erregt ihn. Er weiß genau, wie er sie packen würde. Er liebt es, seinen Penis von hinten einzuführen, die Beine der Frau anzuheben und sie ein klein wenig umzudrehen, damit er sehen kann, wie er sich heraus- und hineinbewegt. Er liebt es, wenn die Frau gleichzeitig die Wurzel seines Penis drückt; ihre Finger üben stärkeren Druck aus als die Öffnung ihres Geschlechts, und das erregt ihn. Außerdem berührt sie seine Hoden, wenn er sich bewegt, und er berührt ihre Klitoris, weil ihr das doppelten Genuß verschafft. Er bringt sie so weit, daß sie keucht, von Kopf bis Fuß zittert und um mehr bettelt.
    Während er sich all das vorstellt und dabei halb nackt seine Hose bügelt, bekommt mein Freund eine Erektion. Mehr will er nicht. Er räumt Hose, Bügeleisen und Bügelbrett weg, geht wieder zu Bett, streckt sich lang aus, raucht und denkt über diese Szene nach, bis jede Einzelheit perfekt gestaltet ist und oben an seinem Penis, den er massiert, während er daliegt, raucht und davon träumt, wie er anderen Frauen folgt, ein Tropfen Sperma erscheint.
    Ich beneide ihn, weil er allein durch den Gedanken an all das so erregt wird. Er fragt mich aus. Er will wissen, wie meine Frauen gebaut sind, wie sie sich verhalten… «
    Lena lachte. »Es ist heiß«, sagte sie. »Ich werde meine Korsage ausziehen.« Und sie verschwand im Nebenraum. Als sie zurückkam, wirkte ihr Körper frei und entspannt. Sie setzte sich, schlug ihre bloßen Beine übereinander. Ihre Bluse stand halb offen. Einer ihrer Freunde saß so, daß er ihre Brüste sehen konnte.
    Ein anderer, ein gutaussehender Mann, stand in meiner Nähe, während ich posierte, und flüsterte Komplimente. »Ich liebe Sie, weil Sie mich an Europa erinnern, vor allem an Paris«, sagte er. »Ich weiß nicht, was Paris an sich hat, aber es liegt dort eine gewisse Sinnlichkeit in der Luft. Die ist ansteckend. Es ist eine so menschliche Stadt. Vielleicht kommt das daher, daß sich überall die Pärchen küssen, auf der Straße, an den Cafetischen, im Kino, in den Parks. Sie umarmen einander ungeniert. Sie bleiben mitten auf dem Trottoir, in den Metro-Eingängen stehen und tauschen lange Küsse. Vielleicht kommt es daher, oder von der weichen Luft. Ich weiß es nicht. Im Dunkeln stehen in jedem Hauseingang abends ein Mann und eine Frau, die fast miteinander verschmelzen. Die Huren sehen dich einen Moment an… Sie berühren dich.
    Eines Tages stand ich auf der Plattform eines Busses und blickte müßig zu den Häusern empor. Ich sah ein offenes Fenster, hinter dem ein Mann und eine Frau auf einem Bett lagen. Die Frau saß auf dem Mann. Um fünf Uhr nachmittags wird es unerträglich. Liebe und Begehren liegen in der Luft. Alle Welt ist auf der Straße. Die Cafés sind überfüllt. Im Kino

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