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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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eines
    weißen Nashorns aus der Lado Enklave mit hochmütig
    herunterhängender Unterlippe.
    In der Mitte des Raumes ein schwarzgoldenes Louis-
    Quinze-Tischchen, eine prachtvolle Antiquität, die durch
    Glasränder und Brandflecken durch abgelegte Zigarren böse
    zerschunden war. Darauf ein silbernes Tablett mit
    Rauchwaren und Spirituosen. Mein Gastgeber goß in zwei
    hohe Gläser eine ordentliche Ladung Whisky, die er jeweils mit
    einem Spritzer Sodawasser aus einem Syphon verdünnte. Er
    bot mir in einem Sessel Platz an, stellte ein Glas neben mich
    und setzte sich schließlich, um mich mit unverhohlenem Blick
    zu mustern. Seine Augen hatten etwas Rücksichtsloses, fast
    Unverschämtes an sich und waren von der Farbe eines
    Gletschersees.
    Ich zündete die Zigarre an, die er mir angeboten hatte, und
    betrachtete durch den blauen Dunst das Gesicht, das ich schon
    oft auf Fotos gesehen hatte. Eine stark gebogene Nase,
    ausgemergelte Backen, flachsblonde Haare, ein etwas
    stacheliger Schnurrbart, ein Grübchen an dem energisch
    vorgereckten Kinn. Lord Roxton war eine Mischung aus
    Napoleon, Don Quichotte und Landedelmann, der mit Pferden
    und Hunden umzugehen weiß. Sonne und Wind hatten seine
    Haut gegerbt, seine Brauen waren buschig und etwas
    überhängend, was seinen an sich schon kalten Augen etwas
    Wildes verlieh. Von der Statur her war er übermäßig schlank,
    aber kräftig gebaut. Kaum einer, das war bekannt, konnte
    sich mit ihm an Ausdauer und Zähigkeit messen. Er war gut
    einsachtzig groß, wirkte jedoch wegen der runden Schultern
    kleiner. Das war also der berühmte Lord Roxton, der mir nun
    gegenübersaß, auf seiner Zigarre herumkaute und mich
    schweigend musterte.
    »So«, sagte er schließlich. »Darauf haben wir uns jetzt
    eingelassen, Sie und ich. Ich nehme an, daß Sie nicht damit
    gerechnet haben, ich meine, als Sie da hingegangen sind.«
    »Allerdings nicht.«
    »Dasselbe gilt für mich. An so etwas hätte ich im Leben
    nicht gedacht. Und siehe da – plötzlich steckt man mitten drin.
    Ich bin erst vor drei Wochen aus Uganda zurückgekommen,
    habe mir in Schottland etwas angeschafft und alle
    Formalitäten erledigt. Schöne Geschichte, was? Wie sind Sie
    denn auf die Idee gekommen, sich dafür zu melden?«
    »Bei mir ist das reines Berufsinteresse«, sagte ich. »Ich bin
    Journalist bei der Gazette.«
    »Natürlich – das haben Sie ja gesagt. Übrigens, ich wollte
    Sie um einen kleinen Gefallen bitten. Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Gern.«
    »Macht es Ihnen auch nichts aus, wenn es mit einem Risiko
    verbunden ist?«
    »Was für ein Risiko?«
    »Das Risiko heißt Ballinger. Er ist Ihnen doch ein Begriff,
    oder?«
    »Nein.«
    »Aber, aber, junger Mann, wo leben Sie denn? Sir John
    Ballinger ist der beste Herrenreiter von ganz Nordengland. Auf
    ebener Straße nehme ich es leicht mit ihm auf, aber im
    Hindernisrennen ist er mir glatt überlegen. Jeder weiß, daß er
    säuft wie ein Loch, wenn er nicht im Training ist. Er nennt es
    Ausgleichssport. Seit Dienstag ist er im Delirium und tobt, daß
    die Wände wackeln. Er wohnt genau über mir. Die Ärzte
    sagen, daß er auf der Strecke bleibt, wenn ihm nicht jemand
    was zu Essen reinzwängt. Das ist nun insofern ein Problem, als
    er im Bett liegt und einen Revolver unter dem Kopfkissen hat.
    Wenn sich ihm jemand nähert, hat er gedroht, ballert er ihm
    die volle Ladung in den Wanst. Daß daraufhin das Personal in
    Streik getreten ist, kann man verstehen.
    Wenn mein Freund John schießt, dann trifft er, das können Sie
    mir glauben. Er ist ein sturer Hund, das gebe ich zu, aber man
    kann ihn doch nicht einfach krepieren lassen. Noch dazu, wo er
    der langjährige Sieger des Grand National ist.«
    »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?« fragte ich.
    »Ich hatte mir gedacht, daß Sie und ich, daß wir ihn
    zusammen überrumpeln könnten. Vielleicht döst er gerade, und
    dann kriegt schlimmstenfalls einer von uns beiden einen auf
    den Pelz gebrannt, und der andere nimmt ihm dann den
    Revolver ab. Anschließend binden wir ihm die Arme auf den
    Rücken, lassen einen Schlauch kommen und verpassen ihm
    eine richtig dicke, fette Suppe.«
    Als ob mein Tag nicht schon vollgepackt genug gewesen
    wäre! Jetzt auch noch diese verfahrene Angelegenheit. Ich bin
    kein sonderlich tapferer Mensch. Meine irische Phantasie trägt
    maßgeblich dazu bei, daß mir unbekannte und unversuchte
    Dinge meist schlimmer vorkommen, als sie es in Wirklichkeit
    sind. Andererseits
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