Die Verschwörer von Kalare
der Kohorte waren auf der Brücke geblieben. Selbst die Verwundeten, die in den Schutz der Mauer gelangten, fanden bei den plötzlich überlasteten Heilern kaum Hilfe. Es gab einfach zu viel zu tun, und viele Männer, die unter gewöhnlichen Umständen überlebt hätten, mussten sterben, während sie warteten, bis sie versorgt wurden.
Insgesamt waren fast sechshundert Aleraner gefallen.
Und es hatte nur sieben oder acht Minuten gedauert.
Tavi erinnerte sich, dass er Befehle geschrien hatte, erinnerte sich an Fragen und Antworten vom Ersten Speer. Es war nicht ausreichend Licht vorhanden. Die Canim zerstörten jede Lampe, die ihre Schützen erreichen konnten, und Elementarlampen waren längst knapp geworden, weil so viele für die Falle verbraucht worden waren, die Tavi auf der Südseite der Stadt aufgestellt hatte. Zweimal fand sich Tavi riesigen Canim-Kriegern in der Finsternis gegenüber, und er kämpfte verzweifelt um sein Leben.
Die Canim überrannten auch die beiden nächsten Verteidigungsstellungen, und es wurde zum Wettrennen, wer den mittleren Bogen der Brücke zuerst erreichte, die Canim oder die aleranischen Pioniere, die verzweifelt versuchten, die Brücke zum Einsturz zu bringen.
In der Dunkelheit und dem Durcheinander gewannen die Canim das Rennen. Tavi schaute hilflos und entsetzt zu, wie Nasaug über die deutlich niedrigeren Befestigungen auf dem höchsten Punkt der Brücke hinwegsetzte, ein halbes Dutzend Aleraner erschlug, die wacker Widerstand leisteten, und dann den fliehenden Legionares in den Rücken fiel.
Tavi wusste, wenn es nicht gelang, die Canim an dieser Stelle aufzuhalten, würden sie auf der »abschüssigen« Seite hinunterstürmen und mit ihrem Schwung die verbliebenen Verteidigungslinien auf der Nordseite einfach niederrennen - und damit auch die Zivilisten erreichen, die hinter der Mauer Schutz gesucht hatten.
Irgendwie gelang es dem Ersten Speer, an der letzten Mauer auf der Brücke genug Männer zu versammeln, während Crassus’ erschöpfte Ritter Aeris auf der niedrigen Stadtmauer dahinter standen. Tavi hatte Möbel aus dem verlassenen Stadtteil herübertragen und zu zwei riesigen Haufen aufschichten lassen, diese mit Weingeist übergießen und von Max in Brand stecken lassen, damit die Legionares endlich Licht bekamen. Das Feuer
wurde durch Feuerwirker am Brennen gehalten. Die Ritter warfen den Canim einen Sturmwind entgegen, der einerseits die Feuer abschirmte und andererseits die Sicht der Angreifer behinderte, und ein beherzter Gegenangriff, den der Erste Speer führte, brachte den Vormarsch der Canim zum Stillstand. Tavi schaute von der Mauer aus zu, wie sich Legionares und Krieger erbitterte Kämpfe lieferten, doch auf der schmalen Brücke waren die Aleraner mit ihrer Disziplin, ihrer Ordnung und ihrer Verzweiflung eindeutig im Vorteil, nachdem sie jetzt Licht durch die Feuer erhalten und den Sturmlauf des nicht menschlichen Feindes erst einmal ins Stocken gebracht hatten.
Tavi befahl den Legionares , dass sie sich hinter die letzte Mauer auf der Brücke zurückziehen sollten, denn er fürchtete, sie könnten von den Schützen der Canim abgeschnitten werden, wenn sie weiter in den vorderen Stellungen kämpften. Und für den Zeitraum einer Stunde kam die Schlacht zum Stillstand.
Tavi sank hinter der letzten Mauer zu Boden und blieb einen Augenblick sitzen. Er nahm sich den Helm ab und legte den Kopf in den Nacken, um vom Regen zu trinken, der allerdings in den vergangenen Stunden ein wenig nachgelassen hatte. Die kühle Nacht war dadurch noch unbehaglicher geworden, und immer wieder schüttelte er sich heftig vor Kälte.
»Hauptmann?«, sagte Ehren leise. Tavi hatte gar nicht gehört, wie er sich ihm genähert hatte. »Alles in Ordnung?«
»Müde, mehr nicht«, antwortete Tavi.
»Du solltest nicht im Regen sitzen. Iss lieber etwas Warmes.«
»Keine Zeit«, sagte Tavi. »Sie können im Dunkeln sehen. Wir nicht. Vor Tagesanbruch werden sie noch einmal angreifen. Tribuna Cymnea soll alle Elementarlampen herbringen, die sie auftreiben kann, und Holz, das wir verbrennen können, und dazu jeden Tropfen Branntwein aus der Stadt. Wir brauchen Feuer, damit unsere Männer sehen können. Valiar Marcus nimmt eine Zählung der Männer vor. Frag Foss, wie viel Tote und Verwundete es gegeben hat, und melde es dem Ersten Speer.«
Ehren runzelte die Stirn, nickte jedoch. »Gut. Aber danach …«
»Danach nimmst du dir die beiden schnellsten Pferde, die du finden kannst, und
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